Rund 450 Millionen fließen in die Sanierung der Gebäude / keine Lösung für das ICC in Sicht.
Die alten Hallen aus den 1930er-Jahren sind ihm am liebsten: heller, lichtdurchfluteter Neoklassizismus, für die Ewigkeit gebaut. „Was fürs Auge, gut fürs Geschäft“, sagt Christian Göke, Chef der Messe Berlin GmbH. Denn sie werden am stärksten nachgefragt, sind der Vermietungs-Renner, fast immer ausgebucht. Ansonsten sei das Areal mit seinem Sammelsurium unterschiedlichster Bauten aus den 30er-, 70er- und 90er-Jahren eher ein „atypisches Messegelände“, das mit dem enormen Wachstum kaum mithalten kann – zu eng, mit schwieriger Logistik, 26 Eingänge erschweren die Übersicht. Hochproblematisch vor allem das Stelzengeflecht, auf dem die Hallen aus den Neunzigern ruhen. Zu großen Veranstaltungen, wie IFA, ITB oder „Grüne Woche“, wuseln unter den Hallen Tausende Lkw und bis zu 20.000 Menschen für den Auf- und Abbau rum. Eine logistische Herausforderung, nur mit meisterlicher Planung und hohem Geschick zu bewältigen.
Viel Rückenwind
In der Tat: Als sich der lange Bus durch den Untergrund quält, touchiert er einen Pfeiler. Nichts geht mehr. Mit großer Mühe gelingt es dem Fahrer, ihn wieder in die Spur zu bringen. „Sehen Sie, was ich meine“, wendet sich Göke an die Insassen. Die Mitglieder des Hauptausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses sind auf „Baustellenfahrt“; die Messe Berlin eine wichtige Station. Sie bestimmen entscheidend mit, wie Berlins Zukunft aussieht. Auch die der Messe. Und sie sind sich einig darin, dass das Gelände umfänglicher Sanierung und Modernisierung bedarf. Nur so kann es wettbewerbsfähig bleiben. Göke: „Wir, Frankfurt und Düsseldorf sind die einzig profitablen Messen, ständig ausverkauft – von über 60 in Deutschland.“ Mit fast 310 Millionen Euro im Vorjahr hat die Messe Berlin seit 2006 ihren Umsatz mehr als verdoppelt. Dank solchen Rückenwinds und zunehmender internationaler Erfolge mit den Leitmessen – wie ITB und IFA – soll es weiter aufwärtsgehen.
Der Boden dafür ist bereitet. Kurbelte bereits der 2014 fertiggestellte und seitdem ständig ausgebuchte CityCube das Veranstaltungsgeschäft mächtig an, macht der Masterplan die Messe weiter zukunftsfit: Gut 450 Millionen Euro fließen in den nächsten 15 Jahren ins Quartier. Doch wo saniert wird, werden Ausweichflächen gebraucht, damit die Geschäfte störungsfrei florieren können. Göke: „Deshalb bauen wir die Halle 27 als Ausweichquartier, multifunktional, flexibel, 10.000 Quadratmeter Veranstaltungsfläche; mit etwa 50 Millionen Euro von uns selbst finanziert.“ Das südwestlich gelegene Grundstück zwischen den Hallen 1 und 25 ist bereits geebnet, Mitte nächsten Jahres soll der Bau fertig sein. Und dann kann es endlich los gehen mit der sukzessiven Sanierung der alten Hallen und ihres schwierigen Untergrunds.
Zukunft offen
Dass es endlich losgeht – das wünschte man sich auch für das ICC. Seit 2014 gibt es im futuristischen „Raumschiff“ keine Veranstaltungen mehr – zu marode, zu schadstoffbelastet, hoch sanierungsbedürftig. Doch verwaist ist es nicht: Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten hat hier immer noch seine Erstanlaufstelle für alle Leistungssachen, „für eine Übergangszeit“, wie es heißt. Währenddessen bleibt der gewaltige Komplex sich selbst überlassen. Seine Sanierung ist dem rot-rot-grünen Senat offensichtlich zu teuer, nachdem die dafür veranschlagten Kosten von 200 auf gut 300 Millionen Euro hochschnellten.
Bis jetzt ist alles offen. Und das, obwohl es einen parteiübergreifenden Konsens gibt, das ICC als Messe- und Kongressstandort zu erhalten. „Dem hat bisher niemand widersprochen“, sagt Susanne Klose, Chefin der CDU-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung von Charlottenburg-Wilmersdorf. „Auch das Bezirksamt zieht mit. Der Senat muss endlich ein schlüssiges Konzept erstellen und die Haushaltsmittel dafür bewilligen.“
Jürgen Zweigert