Die Rudolf-Wissell-Brücke ist am Ende, doch kann erst frühestens 2022 ersetzt werden.
Sie war einst die modernste Berlins, ist immer noch die längste und die am stärksten strapazierte: die Rudolf-Wissell-Brücke der A 100. Ein Bauwerk hoher Ingenieurskunst, das auf seinen 930 Metern Länge und 30 Meter Breite in luftiger Höhe Nord und Süd verbindet, unentbehrlich für nationale und internationale Routen. Täglich donnern fast 200.000 Fahrzeuge über ihre sechs Spuren hinweg. Das hat in den 55 Jahren ihres Bestehens deutliche Spuren hinterlassen. So schlimm, dass sie längst zu den mehr als 40 baufälligen Brücken Berlins zählt, deren Abriss und Neubau überfällig sind.
Ungeklärtes Schicksal
Erst in fünf Jahren, 2022, kann es dem maroden Viadukt an den Spannbeton gehen. Weil er bis dahin aber durchhalten muss, wird er zwischenzeitlich nochmals für rund sieben Millionen Euro geflickt. Unbekannt ist, ob die Erbauer ihr Produkt für die Ewigkeit planten und dabei eine gewaltig wachsende Verkehrsflut nicht kalkulierten. Jedenfalls ist ein Abriss äußerst kompliziert: Zwar sind die zwölf Brückenfelder getrennt, doch sie werden von gemeinsamen Stützpfeilern getragen. Damit teilen sie das Schicksal siamesischer Zwillinge – weicht der eine, kippt unausweichlich auch der andere. Es ist also nicht möglich, die eine Brückenhälfte abzureißen und sie neu zu bauen, während auf der anderen der Verkehr weiter rollt. Was tun? Den stehenbleibenden Teil aufwändig abstützen? Eine Behelfsbrücke bauen? Oder eine ganz neue auf einer anderen Trasse? Wohl auch wegen der Klärung dieser Fragen verzögerte sich das Rudolf-Wissell-Brücke-Problem jahrelang. Die lange Liste des Berliner Brücken-Verfalls ist ein Kabinettstück aus Kompetenzgerangel und vergebenen Chancen. Ein Erhaltungsmanagement soll nun mehr Systematik in Sanierung und Neubau der Brücken bringen.
Für den Wissell-Viadukt hat die „Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) jetzt die Arbeiten europaweit ausgeschrieben. Gefragt sind die besten Lösungen. Es geht um viel, wenn nicht um alles: Denn sollte sich der Bau verzögern, wäre der Verkehrsfluss auf der A 100 extrem gefährdet und Berlin stünde vor einem Verkehrschaos noch nie dagewesenen Ausmaßes.
Jürgen Zweigert, Bild: Hubert Link/dpa-Zentralbild