Pankows neuer Bürgermeister will mehr Bürgernähe, die aber kostet Zeit und Geld.
Einst stand er als Fausts Gehilfe Wagner auf der Theaterbühne der Stadt Brandenburg. Doch weil damit nicht genug Geld in die Familie kam, gab Sören Benn die Schauspielerei um die Jahrtausendwende schweren Herzens auf und arbeitete fortan als Sozialpädagoge. Nach Baufacharbeiter und Schauspieler sein dritter erlernter Beruf. Diese Vielseitigkeit kommt ihm in seinem neuesten Job zugute: Seit Oktober führt der in Neustadt/Dosse geborene Linkspolitiker als Bezirksbürgermeister Regie im boomenden Pankow. Die übliche Schonfrist von 100 Tagen seit Amtsantritt ist vorüber. Was wurde aus Benns zentralem Wahlversprechen, die Bezirksverwaltung bürgerfreundlicher und transparenter zu machen? Benn antwortet ehrlich: „Es war kein optimaler Start.“ Noch immer, ein halbes Jahr nach der Wahl, ist das Quintett der Stadträte nicht komplett. Weil ein bereits gewählter grüner Stadtrat plötzlich Staatssekretär wurde und ein Nachfolger gesucht werden musste. Weil die AfD einen derart schwachen Kandidaten nominierte, dass er sieben Mal bei der Wahl im Bezirksparlament durchfiel.
Lange geschrumpft
Zeitweise mussten so drei Stadträte die Arbeit von fünf erledigen. Nur einer galt zudem als eingearbeitet. So braucht das Bezirksamt-Team Zeit, sich zu finden. Benn vermisst zudem Ressourcen: „Wer mehr Bürgerkontakte provoziert, bekommt automatisch mehr Arbeit.“ Dafür aber fehlen ihm Geld und Personal. Vom Senat zugesagte Verstärkungen kämen frühestens ab 2018 zum Tragen. „Die Verwaltung wurde 15 Jahre lang heruntergefahren. Sie wurde zu lange geschrumpft, um überhaupt die normalen Aufgaben zu bewältigen“. Von der wachsenden Stadt oder einem intensiveren Bürgerkontakt, ganz zu schweigen. Benn weiß um den Notstand auf seinen Standesämtern. Er bekommt täglich böse Schreiben, weil Pankower monatelang auf Hochzeitstermine warten. Doch selbst wenn das Geld vom Senat für neue Mitarbeiter endlich einträfe, dauert ihm alles viel zu lange: „Wir haben als Verwaltung verlernt, zügig einzustellen!“ Es mangele ja sogar an Personal, um Personal zu rekrutieren!
Echte Beteiligung
Doch Benn sieht auch hoffnungsvolle Zeichen. Etwa in der frühen Bürgerbeteiligung für das Wohnquartier Blankenburger Süden. „Gut so! Meine Hoffnung ist, dass sich alle Beteiligten an ihre Absprachen halten, sodass die Bürger nicht nur formal, sondern wirklich informell beteiligt werden. Denn ohne echte Bürgerbeteiligung“, ist Benn überzeugt, „wird es nicht gelingen, dort einen lebendigen Stadtteil zu entwickeln.“ Dazu müssten infrastrukturelle Nachteile angrenzender Ortsteile vom neuen Quartier mit kompensiert werden. „Nur dann kommen die Leute auch dorthin. Dem Bürgermeister schwebt dafür ein Zentrum mit attraktiven Kultur- und Bildungsangeboten vor. Er rechnet mit bis zu zehn Jahren, ehe dort die ersten Häuser stehen.
Benn aber will seine Verwaltung überall näher am Bürgern wissen. Er träumt von vier, fünf hauptamtlichen Stadtteilmanagern, die sich ganz dieser anspruchsvollen Aufgabe widmen. Ob künftige Gestaltung des Bürgerparks, Verkehrsanbindung des Pankower Tors oder Fahrradstraßen von Prenzlauer Berg bis Buch. Reizthemen gibt es genug. Dabei ist Benn vor allem wichtig, dass „Vorteile nachgewiesen“ sind, bevor etwa aufwändig Straßen umgebaut werden. „Die Leute lassen ihr Auto nämlich nicht stehen, nur weil Herr Kirchner das so will“, ist er gegen jede Art von voreiliger „Zwangsbeglückung“, beispielsweise auf der Schönhauser Allee. Doch er signalisiert auch, dass der Fahrradverkehr mehr gefördert werden muss und verspricht grundsätzliche Unterstützung für die ausgerufene Verkehrswende: „Da passt zwischen Kirchner und mir kein Blatt Papier.“
Michael Hielscher, Bild: imago/Christian Schroth