Schadstoff: Mieter fordern mehr Aufklärung zu den Gefahren.

Unterm Teppich lauert ein Gesundheitsrisiko und der Hauseigentümer informiert die Bewohner nur spärlich. Unter diesen Umständen leben die Menschen in der Weißen Siedlung. Einige von ihnen haben vor einigen Jahren Asbest unter den Teppichplatten entdeckt: ein seit 1993 verbotener Baustoff, der, sobald er zerbröselt, stark krebserregend ist. Von der Hausverwaltung, der Deutschen Immobilien Management GmbH (DIM), kam nur die Information, dass, solange das verbaute Asbest nicht beschädigt wird, nichts passieren könne. Ende Mai begann die DIM damit, in einzelnen Hauseingängen Asbest beseitigen zu lassen. Die Mieter wurden vorab nicht informiert. Sie berichten von Asbestwolken und fehlendem Arbeitsschutz. Überprüfen lässt sich das nicht: Laut der bezirklichen Bauaufsicht hat eine Begehung vor Ort „keine Beanstandungen“ ergeben.

Sozial benachteiligt

Wer kann, zieht weg. Das gelingt aber nur wenigen der gut 4.000 Bewohner. Rund 60 Prozent leben von Arbeitslosengeld II. 70 Prozent haben Wurzeln im Ausland, viele von ihnen sprechen kein Deutsch. Nadin Schatz ist der Absprung gelungen. Wegen ihrer ehemaligen Wohnung führt sie einen Rechtsstreit mit der DIM. „Im Kinderzimmer haben wir Asbest gefunden, doch die DIM verweigerte uns eine Ersatzwohnung. Seitdem wir dort wohnten, leidet meine Tochter an Asthma“, erzählt sie. Eine ehemalige Nachbarin lebe seit zehn Jahren mit kaputten Bodenplatten. Die DIM, die bis vor Kurzem im Auftrag der Brandenburg Properties 5 S.a.r.l, handelt, hält sich mit Äußerungen zurück. 2006 hatte das Unternehmen die Siedlung von der landeseigenen BeWoGe gekauft. Im August hat der Eigentümer erneut gewechselt, so das örtliche Quartiersmanagement (QM). Details sind bislang nicht bekannt.

Schlechter Umgang

„Noch immer nehmen Politik und Verwaltung das Asbest-Problem nicht ernst genug“, sagt Schatz. „Ich finde es schlimm, wie die Eigentümer mit den Menschen umgehen“, so der Wahlkreisabgeordnete Joschka Langenbrinck (SPD). „So verhalten sich Heuschrecken, die keinen Wert auf die Gesundheit ihrer Mieter legen“. Der Senat habe sich für nicht zuständig erklärt und auf den Bezirk verwiesen. „Wir bräuchten für jedes der Wohnhäuser ein Asbest-Gutachten, doch das lehnt die DIM ab.“ Das QM hatte eine Informationsveranstaltung für Anwohner geplant, an der auch Vertreter der DIM teilnehmen sollten. Daraus wird vorerst nichts. Nun wird ein Info-Termin allein mit den Mietern vorbereitet. Ein Datum steht noch aus.

Die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus verlangt eine umfassende Information der Mieter durch den Senat. „Dieser darf sich nicht herausreden, zumal er ursächlich an der Geheimhaltung der Gefahren in der Weißen Siedlung mitgewirkt hat“, so der Abgeordnete Andreas Otto. „Berlin braucht ein Asbestregister und einen Sanierungsfahrplan. Der Senat muss endlich mit der privaten Wohnungswirtschaft in den Dialog treten.“

Text+Bild: Nils Michaelis