Freisitze Schärfere Auflagen sorgen für Existenzangst unter Gastwirten.
Der Fall sorgte deutschlandweit für Hohn und Spott: Weil die vorgeschriebene Mindestbreite des Gehwegs vor seinem Lokal nicht gewährleistet sei, verdonnerte das Ordnungsamt einen Gastwirt im Simon-Dach-Kiez nach zwölf Jahren, die Tische vor seinem Lokal um drei Zentimeter zu kürzen. Manche Gastronomen fürchten angesichts der Auflagen um ihre Existenz.
Harter Konkurrenzkampf
Zum Beispiel die „Koffein Zentrale“. Seit 2007 bietet das Café in der Mainzer Straße seine Kaffee-Spezialitäten an Sommertagen seit jeher auch an Sitzplätzen vor dem Gebäude an. Jetzt hat das Ordnungsamt bei der Vergabe einer neuen Lizenz die „Sondernutzungsrechte“ für das Café aufgehoben: Künftig müssen Kunden drinnen bleiben. Angesichts benachbarter Lokale, die ihre Lizenz früher beantragt hatten und deshalb vom Bestuhlungs-Verbot vorerst verschont bleiben, droht der „Koffein Zentrale“ ein harter Konkurrenzkampf, zumal eine hauseigene Rösterei in den Innenräumen für zusätzliche Hitze sorgt.
„Wir können nicht die Hälfte des Jahres kein Geld verdienen“, sagt Björn Streck, einer der Betreiber. Weil alternative Pläne, etwa im Sommer eher als Fachgeschäft für Kaffee-Produkte denn als Lokal aufzutreten, schon wegen der Internet-Anbieter „utopisch“ sei, hat Streck nun regelrechte Existenzangst. Der Fortbestand des Cafés sei gefährdet, allenfalls ein Umzug in einen anderen Bezirk sei denkbar. „Ohne das gastronomische Angebot wäre der Kiez gar nicht interessant“, sagt Friedrich Börner, stellvertretender Bezirksbeauftragter beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Mit dessen Kehrseite, zu denen eben auch zugestellte Gehwege gehören, sei die Politik jedoch überfordert und biete kaum kreative Lösungen an.
„Das Ordnungsamt scheint die Situation vor Ort nicht richtig zu kennen“, sagt Streck. Dass seine Bestuhlung die vorgegebene Mindestbreite des Gehwegs von 1,50 Meter verletze, sei nur denkbar, wenn man querparkende Autos auf dem Bürgersteig mit einrechne. Die gebe es vor seinem Café aber gar nicht. Das Bezirksamt erkennt an, dass es den einen oder anderen Einzelfall gebe, der „für sich allein betrachtet sicher unproblematisch und unbürokratisch hätte gelöst werden können“, so Bezirksstadtrat Peter Beckers (SPD). Es drohe jedoch die Gefahr, „dass jeder, der sich benachteiligt fühlt, seinen Einzelfall entsprechend geregelt haben will.“
Im Zick-Zack
Beckers hofft, durch die Maßnahmen die Rechte derer durchzusetzen, „die darauf angewiesen sind, sich auf dem Gehweg ohne Zick-Zack-Kurs fortbewegen zu können“. Jüngst hatte er dabei Unterstützung durch eine Initiative von Anwohnern erhalten, die sich am „Ballermann Berlins“ um die Simon-Dach-Straße zunehmend eingeschränkt sehen.
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Vorgaben
In mehreren Bezirken gibt es derzeit Konflikte zwischen den Ordnungsämtern und Gastronomen. Gastwirte in Pankow müssen bestimmte Vorgaben im Hinblick auf ihre Außenbepflanzung einhalten: Maximal einen Meter dürfen Pflanzen und die dazu gehörigen Kübel maximal hoch sein. Während die Ordnungsämter die Sicherheit der Anwohner gewährleisten und deren Rechte durchsetzen wollen, fürchten viele Wirte den Verlust des sommerlichen Ambientes.
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Philip Aubreville / Bilder: imago/Schöning / Philip Aubreville