Umwelt: Wie Berlin mit Asbest in seinen Wohnungen umgeht.

Vor wenigen Wochen gab das Landgericht Berlin Samuel Motos Recht. Es entschied, dass er Anspruch auf Mietminderung hat und damit rückwirkend 20 Prozent seiner gezahlten Miete erhält. Weitere fünf Prozent ab dem Tag, an dem er von der Asbestbelastung erfuhr – als Entschädigung für die Angst bis zum Auszug kurze Zeit später. Neun asbesthaltige Fußbodenplatten waren beschädigt und führten damit zu einer „konkreten Gesundheitsgefährdung“, sagten die Richter.

Späte Krebsgefahr

Asbestverwendung ist in Deutschland seit 1993 verboten. Heute, Jahrzehnte später, treten Fasern aus dem seit 1959 verbauten Stoff bei Materialermüdung und -brüchen in die Raumluft aus. Ein Krebsrisiko für jeden, der diese einatmet. Dies betrifft in Berlin Bewohner in mehr als 50.000 Wohnungen, 6.336 allein in Charlottenburg-Wilmersdorf in landeseigenen Wohnungen. Die Höhe der Gefährdung in den restlichen Wohnungen ist unbekannt.

Nach Worten des Berliner Mietervereins kein Hindernis, denn eine Raumluftmessung durch ein unabhängiges Institut ist schon ab 50 Euro möglich. Wibke Werner vom Verein rät zu Überprüfung. Denn „es kann nicht sein, dass der Mieter auf einer tickenden Zeitbombe sitzt und wartet, bis die Asbestfasern austreten.“ Die landeseigenen Unternehmen wissen das. Laut Senatsverwaltung wurden daher allein 2014 und 2015 mehr als 4.190 Wohnungen saniert. Für dieses Jahr ist die Asbestbeseitigung in 1.346 Wohnungen geplant. Für David Eberhart, Sprecher des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), der etwa 40 Prozent der Berliner Wohnungen verwaltet, hat sich die „bisherige Strategie im Umgang mit asbesthaltigen Bauteilen bewährt.“ Die Sanierung gehe „auch angesichts der Entsorgungskapazitäten am Markt – am besten auf Grundlage eines schrittweisen Vorgehens.“

Wenige Unterstützer

Nicht genug für den Berliner Mieterverein. Er fordert einen „Asbest-Sanierungsfahrplan“: eine Bestandsaufnahme der Asbestwohnungen und einen verbindlichen Zeitplan für die Sanierungen. Auch Andreas Otto, Mitglied des Abgeordnetenhauses für Bündnis 90/Die Grünen, fordert das seit Jahren, damit Asbest „irgendwann Geschichte ist“. Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutz e.V. (AMV) startete dazu im Internet eine Unterschriftensammlung, mit welcher der Senat aufgefordert wird, „aktiv zu werden“, und ein Gesetz für eine Berliner Asbestregister und die Erstellung eines Sanierungsfahrplans. Die Online-Petition zum „Schutz vor Asbest in Mietwohnungen“ endet am 27. Mai. Bei Redaktionsschluss hatten sich 491 Unterstützer gefunden. Nötig wären mindestens 15.000.

Christina Praus / Bild: imago/Hoch Zwei Stock/Angerer