Sozialbericht: Auch in Tempelhof-Schöneberg drohen einzelne Kieze abgehängt zu werden – der Bezirk fordert mehr Mittel.
Armut und soziale Probleme verortet der Volksmund gemeinhin in den Osten Berlins, zwischen grauen Plattenbauten und trostlosen Betonwüsten. Doch auch im bürgerlichen Südwesten gibt es diesbezüglich durchaus Handlungsbedarf, wie aus dem neuesten Berliner Sozialbericht hervorgeht.
Teilweise Abwärtstrend
Vier Indikatoren wertet dabei das alle zwei Jahre erscheinende „Monitoring soziale Stadtentwicklung“ (MSS), so der offizielle Titel des Berichts, aus: Arbeitslosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit, Bezüge von Transferleistungen und Kinderarmut. Auf dieser Grundlage ermittelt der Bericht Status und Dynamik der einzelnen Viertel – und macht für die nun untersuchten Jahre 2013 und 2014 auch in Tempelhof-Schöneberg „Gebiete mit überdurchschnittlich hoher sozialer Benachteiligung“ aus. Um den Germaniagarten und die Nahariyastraße verzeichnet der Bericht einen „besonderen Aufmerksamkeitsbedarf“; im letztgenannten Kiez ist sogar eine Abwärtsentwicklung zu beobachten.
„Der Germaniagarten weist viele kleine und unsanierte Wohnungen auf, die aufgrund der geringen Mietkosten gut für am Wohnungsmarkt benachteiligte Mieter geeignet sind“, meint die Bezirksstadträtin für Soziales, Sybill Klotz (Grüne). „Somit wird der Konkurrenzdruck auf diese Wohnungen erhöht.“
Auch in der Nahariyastraße sei der Zuzug einer der Gründe für die Probleme, die gleichwohl schon seit Längerem bekannt sind. Anträge, die Straßen als Quartiersmanagement-Gebiete zu fördern, seien abgelehnt worden, berichtet Klotz. Dem „Planungsraum Germaniagarten“ wurde dabei zum Beispiel eine zu geringe Größe attestiert. Dabei hatten derartige Maßnahmen, die im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ etwa im Kiez um die Bülowstraße ergriffen werden, durchaus Erfolge gebracht. Das Gebiet, das seit 1999 gefördert wird, taucht im neuen Sozialbericht zum wiederholten Male nicht auf. „Hier gibt es eine positive soziostrukturelle Entwicklung“, sagt Derk Ehlert von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. Um den Germaniagarten arbeitet die Senatsverwaltung allerdings mit anderen Instrumenten. „Er befindet sich innerhalb der Untersuchungskulisse für das geplante Stadtumbau-Gebiet ‚Rund um das Tempelhofer Feld‘“, erläutert Ehlert. Dabei seien baulich-investive Maßnahmen zur Verbesserung der Anbindung des Stadtteils an die Parklandschaft „Tempelhofer Feld“ geplant. Zudem fördere man die Gegend bereits im Rahmen des Landesprogramms „Freiwilliges Engagement In Nachbarschaften“ (FEIN), das die Verknüpfung verschiedener Maßnahmen etwa zur Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur oder zur Aktivierung der Bewohner zum Ziel hat. Bei bezirklicher Mitarbeit sei eine Untersützung des Projektes auch in der Nahariyastraße denkbar.
Fördermittel nötig
Im Bezirk selbst werden die Maßnahmen jedoch nicht als ausreichend angesehen. „Wir benötigen Fördermittel aus dem Programm Soziale Stadt, um in Gebieten wie Germaniagarten oder Nahariyastraße langfristig und nachhaltig Strukturen zu schaffen, mit denen die soziale Situation auf einem höheren Niveau stabilisiert werden kann“, meint Sozialstadträtin Klotz. Zudem sei mehr Personal nötig, um die Mittel in konkreten Projekten vor Ort auch umsetzen zu können.
Philip Aubreville / Bild: imago/Jürgen Ritter