Soziales: Neue Senatsstudie bestätigt Verdrängungsprozess in der Stadt.

Obwohl sich die Arbeitslosigkeit in Berlin innerhalb von zehn Jahren halbierte, ist die soziale Situation vieler Hauptstädter unverändert prekär. Der Anteil derer, die auf Transferleistungen angewiesen sind, blieb in etwa konstant. Bei der Kinderarmut kommt es zwar zu einem leichten Rückgang, dennoch ist etwa jedes dritte Kind in Berlin davon betroffen – ein im Bundesvergleich sehr hoher Wert. Das sind Erkenntnisse der jüngsten Sozialstudie, die der Berliner Senat jetzt veröffentlichte. Und: Arme werden aus der City gedrängt. Der Verdrängungsprozess als Folge der Gentrifizierung setzt sich fort.

Aktivere Politik

Der Pankower Abgeordnete und baupolitische Sprecher seiner Fraktion, Andreas Otto (Bündnis 90/Grüne), folgert: „Die räumliche Spaltung in arm und reich verlangt eine aktive Wohnungspolitik, besonders der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Ihre Bestände sollen den Unterschied machen. Gewobag und Degewo müssen in den nachgefragten Vierteln wie Prenzlauer Berg oder Wilmersdorf gerade auch Haushalte mit geringen Einkommen aufnehmen. In den Gebieten mit schwieriger Sozialstruktur muss das Wohnen so attraktiv werden, dass auch Familien mit mittleren Einkommen gerne dort wohnen.“

Die neueste Studie offenbart zwar eine leichte Besserung im Vergleich zu 2013. Dennoch gelten immer noch 43 von 435 Gebieten als „besonders gefährdet“. Mit Ausnahme von Pankow und Steglitz-Zehlendorf gibt es in allen Bezirken Kieze „mit besonderem Aufmerksamkeitsbedarf“, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Innerstädtisch sind vor allem Kieze im nördlichen Kreuzberg, in Wedding (vor allem nördlich des S-Bahn-Rings), in Charlottenburg-Nord und in Nord-Neukölln betroffen, in der äußeren Stadt insbesondere Reinickendorf (Märkisches Viertel, Rollbergesiedlung), Spandau und Marzahn-Hellersdorf. Weitere Gebiete mit besonderem Aufmerksamkeitsbedarf finden sich vereinzelt auch in Tempelhof-Schöneberg, Lichtenberg und Treptow-Köpenick. In der Äußeren Stadt bestehen soziale Unterschiede vor allem dort, wo Geschosswohnungsbau dominiert. Betrachtet man diese Quartiere als Einheit, sind die Benachteiligungen sogar ausgeprägter als in der Inneren Stadt. Das sogenannte „gartenbezogene Wohnen“ am Stadtrand in Ein- und Zweifamilienhäusern, Reihenhäusern und Stadtvillen weist hingegen insgesamt einen überdurchschnittlich hohen sozialen Status auf. Neu als Gebiete mit besonderem Aufmerksamkeitsbedarf werden die Jungfernheide und die Paul-Hertz-Siedlung (jeweils Charlottenburg-Wilmersdorf), Tiefwerder (Spandau), Gelbes Viertel (Marzahn-Hellersdorf), Falkenberg Ost und Rosenfelder Ring (jeweils Lichtenberg) sowie der Hausotterplatz, Teichstraße und Dannenwalder Weg (jeweils Reinickendorf) aufgeführt.

Unter Druck

Barbara Eschen, Direktorin des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, kommentiert: „Vor allem macht der knappe Wohnungsmarkt mit steigenden Mieten vielen Menschen Druck. Die Mieten steigen schneller als die Leistungen der Jobcenter. Und wenn eine Familie die Wohnung wechseln muss, weil ein erwachsenes Kind auszieht, kann das aufgrund knappen günstigen Wohnraums zur Katastrophe werden. Und dass 28,37 Prozent der Berliner Kinder von Hartz IV leben, kann einen nicht ruhig lassen.“

Michael Hielscher / Bild: imago/Jürgen Heinrich