Anfang 2026 übernimmt StarkeZigarren dort ein traditionsreiches Pfeifenfachgeschäft, keine fünf Minuten von der Universität entfernt. 30 Jahre Geschichte, ein etablierter Stamm an Kunden, eine Lage, die man sich besser nicht wünschen könnte. „Die Verantwortung ist groß“, sagt Gollas. „Da übernimmt man nicht einfach nur einen Laden, sondern ein Lebenswerk.“ Warum tut sich jemand das an, dessen Online-Shop längst läuft? Die Antwort ist simpel und gleichzeitig kompliziert: Weil man Genuss nicht digitalisieren kann.


Vom Online-Händler zum Gastgeber

Gollas ist kein Romantiker, zumindest keiner, der das zugeben würde. Er redet von Conversion-Rates, Reichweite und YouTube-Algorithmen mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie von Umblättern und Fermentation. Seit 2005 betreibt er den Online-Shop, hat über 425 Videos auf YouTube produziert, Dokumentationen über peruanische Tabakplantagen gedreht und verstanden, wie man im Netz sichtbar wird. Fast 16.000 Abonnenten verfolgen mittlerweile seine Reisen durch die Welt des Tabaks. Klingt nach Erfolg. Klingt nach: Warum dann noch einen stationären Laden?

„Weil mir Leute fehlen würden“, sagt Gollas. Er sitzt im Humidor, einem Raum, in dem die Luftfeuchtigkeit bei konstanten 70 Prozent liegt und es nach Holz und Erde riecht. „Im Internet kaufst du eine Zigarre. Hier erlebst du sie.“ Das klingt nach Marketing-Sprech, ist es aber nicht. Gollas meint das ernst. Sein Laden funktioniert nicht wie ein Geschäft, eher wie ein Treffpunkt. Kunden kommen vorbei, setzen sich in den Sessel im Humidor, erzählen von ihrem Tag. Manche bleiben eine Stunde. Er verkauft weniger, als dass er berät. Empfiehlt. Hört zu.

„Mein Laden ist mein Wohnzimmer“, sagt er. Man glaubt ihm das sofort. Keine sterile Verkaufsfläche, keine aufgeräumte Perfektion. Zwischen den Zigarren stehen über 500 Spirituosen, rund 100 Weine, Aschenbecher, Feuerzeuge, Humidore. Alles ein bisschen chaotisch, alles griffbereit. Man hat das Gefühl, Gollas könnte jederzeit zu jedem Produkt eine Geschichte erzählen. Wahrscheinlich könnte er das auch.

Die Idee für das Ladengeschäft kam ihm 2011, angeregt von einem Coach, den er während seines Studiums in Passau kennengelernt hatte. Damals verkaufte Gollas bereits online, aber irgendetwas fehlte. Der persönliche Kontakt. Das Gespräch. Die Möglichkeit, jemandem eine Zigarre in die Hand zu drücken und zu sagen: „Probier mal die.“ Also zog er nach Berlin, eröffnete zusammen mit Martin Geisler das „Delicious Berlin“ und lernte schnell: Ein Laden ist mehr als ein Ort, an dem man Dinge verkauft.

„Die Leute kommen nicht nur wegen der Zigarren“, erklärt Gollas. „Sie kommen, weil sie jemanden suchen, der sich auskennt. Der ihnen nicht einfach das Teuerste andreht, sondern das Richtige.“ Das klingt banal, ist es aber nicht. Wer online bestellt, hat keine Ahnung, ob die Zigarre passt. Zu stark? Zu mild? Passt sie zum Kaffee, zum Rum, zum Abend auf dem Balkon? Gollas kennt diese Fragen. Hat sie selbst durchlebt.

Eine Abiturreise und ihre Folgen

Sein erster Kontakt mit Zigarren war 2000 in der Dominikanischen Republik, nach dem Abitur, kurz vor dem Wehrdienst. Er sah die Aschenbecher im Hotelzimmer, kaufte sich eine Zigarre, und der Rest ist Geschichte. Was banal klingt, war für Gollas der Anfang einer Obsession. Er importierte Zigarren aus Costa Rica, wo er als Tauchlehrer arbeitete, studierte Marketing in Passau und Lübeck, schrieb seine Diplomarbeit über Online-Handel. 2005 der Online-Shop. 2011 der Laden in Berlin. 2022 eine umfangreiche Dokumentation über peruanischen Tabak, die viele als die ausführlichste im deutschsprachigen Raum bezeichnen. Und jetzt Leipzig.

Leipzig: Jung, wachsend, genussfreudig

Die Expansion kommt nicht aus einer Laune heraus. Leipzig wächst, hat über 630.000 Einwohner, eine ausgeprägte Kulturszene, Flughafen, Universität. Die Stadt ist jung, lebendig und hat offenbar Bedarf an guten Zigarren. „Der Kontakt entstand im Frühjahr 2025 während einer Vertriebstour“, erzählt Gollas. „Wir besuchten ein Pfeifenfachgeschäft, das seit 30 Jahren existiert. Und irgendwie hat es einfach gepasst.“ Das Geschäft liegt zentral, unweit der historischen Innenstadt. Der bisherige Inhaber übergab sein Lebenswerk. StarkeZigarren übernimmt.

Aber warum setzt jemand, der online erfolgreich ist, auf stationären Handel? Die Antwort liegt irgendwo zwischen Pragmatismus und Philosophie. „Online kannst du skalieren“, sagt Gollas. „Aber du kannst keine Beziehung aufbauen.“ Das ist der Kern. Während Amazon mit Algorithmen arbeitet, arbeitet StarkeZigarren mit Menschen. Die Kunden kennen das Team. Wissen, dass hier nicht nur verkauft werden soll, sondern weitergegeben. Der Laden ist kein Showroom, sondern ein Ort, an dem man ankommt.

„Man muss Genuss erleben“, sagt Gollas. Klingt pathetisch, ist es aber nicht. Wer eine Zigarre online bestellt, bekommt ein Produkt. Wer zu StarkeZigarren kommt, bekommt ein Erlebnis. Hier wird die Herkunft erklärt, die Herstellung, die Aromen. Man darf riechen, fühlen, probieren. „Das kann kein Online-Shop leisten“, sagt Gollas. „Und genau deshalb braucht es Läden wie unseren.“

Leipzig wird anders als Berlin. Kleiner, persönlicher, fokussierter. „Wir werden das Sortiment anpassen“, erklärt Gollas. „Leipzig ist nicht Berlin. Die Kunden sind anders, die Erwartungen sind anders.“ StarkeZigarren plant, Pfeifen stärker ins Sortiment zu nehmen, die Expertise des bisherigen Inhabers zu nutzen, die Geschichte des Ladens weiterzuführen. Kein radikaler Umbau, sondern eine behutsame Weiterentwicklung. „Respekt vor dem, was war. Mut für das, was kommt.“

Gast statt Kunde

Die Frage, ob man Genuss digitalisieren kann, stellt sich bei StarkeZigarren nicht mehr. Die Antwort kennt man längst. Man kann Genuss verkaufen, erklären, präsentieren. Aber erleben? Das geht nur analog. Deshalb die Läden. Deshalb der Humidor. Deshalb die Sessel, die Gespräche, die Zeit, die man sich nimmt. „Mein Laden ist mein Wohnzimmer“, sagt Gollas noch einmal. Und wer ihn besucht, ist Gast, nicht Kunde.

Leipzig wird die nächste Stube. Ab Anfang 2026. Mit Pfeifen, Zigarren und einem Team, das verstanden hat: Handel ist mehr als Verkauf. Es ist Begegnung. Und genau die lässt sich nicht programmieren.