ERKUNDUNG Ein spannender und zugleich erholsamer Spaziergang durch Wilhelmsruh – mit Industriedenkmälern, Grünanlagen und dem Sowjetischen Ehrenmal
Für einen ignoranten Neu-Berliner ohne größere geografische Interessen gehörte vor dem Mauerfall das am Stadtrand gelegene Wilhelmsruh selbstverständlich zu West-Berlin – schließlich konnte man ja zum S-Bahnhof Wilhelmsruh fahren! Erst viel später wurde einem klar: Wilhelmsruh ist ein Ortsteil von Pankow, also Osten.
Durch den Mauerbau wurde den Wilhelmsruhern besonders übel mitgespielt: Der nördliche Ausgang jenes S-Bahnhofs, der sich genau auf der Grenze zwischen Pankow und Reinickendorf befindet, wurde damals zugemauert und Teil der Grenzanlagen. Damit war der Bahnhof bis zum Mauerfall nur für West-Berliner nutzbar. Nach der Wende wurde der nördliche Eingang erst nach der Renovierung 2001 wieder zugänglich.
Legendäres Industriedenkmal
Am Bahnhof wird ausgiebig gebaut, also folgen wir zwischen Bauzäunen einem Pfad entlang der Gleise, der dann leicht rechts auf diverse eindrucksvolle Backsteingebäude zuführt. Der Weg ist plötzlich versperrt. Doch links ist ein Tor, dahinter das italienische Restaurant Fabbrica (Hertzstr. 63a, Tel. 0178/ 329 93 74, Mo–Fr 11–21, So 15–22 Uhr) Kredenzt werden typisch italienische Speisen zu mehr als fairen Preisen. Und wie mir der Betreiber telefonisch versichert hat, ist das Tor tagsüber geöffnet. Denn ohne diesen Zugang müsste man einen riesigen Umweg über den Berliner Mauerweg nehmen.
Auf dem Gelände kann man eindrucksvolle Industriedenkmäler bestaunen: die ehemaligen Bergmann Elektrizitätswerke, später VEB Bergmann-Borsig. Mittlerweile werden die Hallen vielseitig genutzt, so auch als Lagerhalle von der Band Rammstein, die sich für den Erhalt des beeindruckenden Industriedenkmals engagiert hat. Dafür erhielten sie den Berliner Denkmalpreis 2017. Deshalb befindet sich hier der „RammsteinStore“ voll Merchandising-Artikel und einer Mini-Ausstellung.
Wir verlassen das Gelände an der Hertzstraße, bestaunen an der Ecke Fontanestraße eine hübsche Wandmalerei und biegen links ab in die Garibaldistraße. Die führt uns zuerst zum idyllischen Garibalditeich, einem Spielplatz und dann zur Tollerstraße. Schräg rechts ist der Zugang zum Wilhelmsruher See, ein reizvolles Naherholungsgebiet. Wir gehen rechts am See entlang und verlassen das Terrain am südlichen Ende.
Es folgt ein Spazierweg, erst entlang eines Sportplatzes, dann entlang einer langen Mauer. Sie begrenzt das riesige Sowjetische Ehrenmal, das man hinten betreten kann (geöffnet: Oktober–März 8–18 Uhr, April–September 7–19 Uhr). Ein monumentales Gelände auf 27.000 Quadratmetern, erbaut von Mai 1947 bis November 1949. Hier sind auch rund 13.000 sowjetische Soldaten beigesetzt, die bei der Schlacht um Berlin gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gefallen sind. Zwischen 2011 und 2013 wurde das Ehrenmal instandgesetzt.
Am Rand des Ehrenmals entlang führt ein Trampelpfad zu einem Spazierweg. Vor uns: das gemütliche Restaurant Gartenküche (Waldsteg 65, Tel. 916 78 52, Do+Fr 16–22 Uhr, Sa 12–22, So 12–21 Uhr, www.gartenkueche-pankow.de). Hier kann man nicht nur exquisit in mehreren Gängen speisen, am Wochenende laden auch leckerer Kuchen und Heißgetränke zur Einkehr. Ein Stück die Germanenstraße hinunter erreichen wir den Waldsteg. Links führt ein schmaler Durchgang, Neuer Steg genannt, zu einem langgezogenen Grünstreifen: das „Grüne Band Berlin-Schönholz“. Es führt uns durch ein Birkenwäldchen auf rund 800 Metern zurück zum S-Bahnhof Wilhelmsruh, diesem geschichtsträchtigen Ort.
Für die etwa vier Kilometer lange Strecke sollte man um die 1,5 Stunden einplanen.
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