Gerade wird ein Wort durch die politische Landschaft getragen, das wie ein Rückfall in alte Denkmuster wirkt: „Kriegstüchtig“. Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden, heißt es – als wäre das der einzige Weg, um Sicherheit zu schaffen und Verantwortung in einer an Spannungen reichen Welt zu übernehmen. Ich halte das für grundfalsch. Nicht, weil ich Friedenssehnsucht mit Naivität verwechsle. Sondern, weil Stärke anders aussieht.
Wer in Berlin aufgewachsen ist – egal, ob im Osten oder Westen –, weiß, wie brüchig Frieden sein kann. Diese Stadt war Symbol der Teilung der Welt, war Bühne des Systemwettstreits. Wir kennen die Bilder vom August 1961, aber auch die jubelnden Menschen am Brandenburger Tor im November 1989. Wir wissen, was es bedeutet, wenn Mauern Menschen trennen – und wie befreiend es ist, wenn sie fallen. Deshalb reagieren viele Berliner besonders sensibel, wenn von „Kriegstüchtigkeit“ gesprochen wird.
Ja, die Welt ist gefährlicher geworden. Russland führt einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Aber gerade deshalb sollten wir nicht das Denken der Kriegstreiber übernehmen. Wenn es Deutschland gelänge, in die Beletage der wirtschaftlich prägenden und diplomatisch relevanten Nationen zurückzukehren, würde unser Land mehr internationales Gewicht und Ansehen gewinnen und könnte somit ein Faktor für Frieden in etlichen Krisenregionen werden
Ich habe in meinem Buch „Wie der Osten Deutschland rettet“ beschrieben, warum auch die ostdeutsche Sicht auf Russland jetzt von besonderem Wert für Diplomatie und Dialog sein kann. In den letzten Jahren mussten wir alle wieder lernen, dass Frieden kein ewiger Zustand ist, sondern eine tägliche Aufgabe bleibt. Wir sollten lernen, wieder Brücken zu bauen, statt Mauern höher zu ziehen. Auch mit Russland, so schwer dies derzeit vorstellbar ist. Das bedeutet nicht, den Aggressor zu belohnen. Es bedeutet, Wege zu suchen, die den nächsten Krieg verhindern.
Wir brauchen eine Republik, die ihre Sicherheit nicht allein an Waffen misst, sondern aus internationaler Relevanz und Verantwortung schöpft und diesem Gewicht die Fähigkeit erlangt, Menschen, Werte und Dialogräume zu schützen. Friedenstüchtig – das ist das Wort, das wir jetzt stärker machen sollten. Ich empfehle daher, auch rhetorisch abzurüsten, anstatt weiter die schrille Glocke der vermeintlich so notwendigen Kriegstüchtigkeit zu läuten.
Text: Mario Czaja

