Die jungen Tänzer Stefan Stiller, Thomas Pham und JhowMe. Bild: Lutz Schneller
Die jungen Tänzer Stefan Stiller, Thomas Pham und JhowMe. Bild: Lutz Schneller

JUGENDKULTUR Mit dem Jungen Tanzhaus Berlin (JBT) eröffnet ein neuartiger Kulturort, den junge Menschen aktiv mitgestalten sollen

Es klingt wie ein Traum: ein ­riesiges Haus – nur für den Tanz. Mit Aufführungen, Workshops, Tanzangeboten zum Mitmachen, einem Bildungsort und viel Raum für die Nachbarschaft. Und vor allem: Junge Menschen sollen hier nicht nur Kultur konsumieren, sondern selbst mitgestalten, was hier passiert. „So einen Ort gibt es bisher noch nicht in Berlin“, sagt Livia Patrizi, Leiterin des Vereins „TanzZeit“ und nun auch des „Jungen Tanzhauses Berlin“. „Die Visionen junger Menschen sind die DNA dieser Einrichtung“, erzählt sie, „und Tanz ist das, was alles zusammenhält. Denn Tanz hat eine besondere Kraft jenseits aller pädagogischen Konzepte.“


Jubiläum und Neuanfang

Der Verein „TanzZeit“ feiert 2025 sein 20-jähriges Jubiläum. Und hat in dieser Zeit viel bewegt, mit dem Aufführungsort „Tanzkomplizen“, der bisher im Podewil beheimatet war und nun auch ins JTB einzieht, mit dem Dancebattle-Format „Club Oval“ oder Tanzangeboten in Schulen, Aus- und Weiterbildungsprojekten. Die Idee für das Junge Tanzhaus treibt den Verein schon lange um, aber bislang fehlte es an Räumen und Geld. Livia Patrizi konnte es selbst kaum glauben, als TanzZeit vor einem Jahr mit dem JTB-Konzept den Zuschlag für das Gebäude an der Neuköllner Hasenheide bekam. „Das war wie ein Hauptgewinn im Lotto,“ sagt sie. Obendrein ist es ein Standort mit Tradition: 25 Jahre lang bespielte die „Werkstatt der Kulturen“ mit ihrem transkulturellen Programm die Räume. Das Nachfolge-Projekt „Oyoun“ musste nach viel Diskussion mit dem Senat Ende 2024 das Gebäude räumen.

Kulturkürzungen bedrohen TanzZeit

Für Livia Patrizi und TanzZeit folgte auf die Euphorie aber schnell der Schreck angesichts der drohenden Kulturkürzungen. „Wir wussten lange nicht, ob wir überhaupt noch Fördermittel bekommen“, sagt sie. Versprochen war zudem ein technisch ausgestatteter Ort. „Aber als wir im Januar zum ersten Mal die Räume betreten konnten, haben wir vor allem Müll und Schutt vorgefunden“.

Endlich stand fest: Das Projekt bekommt zumindest die ­Hälfte der ursprünglich geplanten Fördermittel. Um zusätzliche Mittel für 2026 zu sichern, steht der Verein im engen Austausch mit der Kulturverwaltung und der Politik und hat den Mehrbedarf offiziell angemeldet – denn die Zukunft des Hauses ist eine gemeinsame Verantwortung. Ergänzend wird ein solidarisches Vermietungskonzept eingeführt: Räume können gemietet werden, Nachbarn und Menschen mit wenig Ressourcen sollen sie aber auch kostenfrei für kreative Aktivitäten nutzen können.

Jetzt wird getanzt

Nach einem Jahr voller Arbeit, Engagement, Treffen und Telefonaten gibt es nun endlich etwas zu feiern. Auch die 20-jährige Tamiyah Leroux fiebert schon der Eröffnung entgegen. Sie absolviert bei TanzZeit ihr Freiwilliges Soziales Jahr und ist zwar erst seit September dabei, aber voller Ideen und Elan für das Projekt. „Tanz hat mich und meinen Zwillingsbruder schon als Kinder begeistert“, sagt sie, „aber für meine Mutter als Alleinerziehende waren die Kurse in den großen Tanzschulen unbezahlbar“.

Die TanzZeit mit ihren günstigeren, teils sogar kostenfreien Angeboten kannte Tami nicht. Nun will sie mit Social Media-Kanälen wie einem TikTok-Account dafür sorgen, dass viele junge Menschen vom JTB erfahren. Genauso willkommen sind aber auch Erwachsene. „Hier soll ein Austausch zwischen jüngeren und älteren Menschen im echten Leben stattfinden“, sagt Tamiyah.

Das soll schon auf der Eröffnungsfeier und der Eröffnungswoche passieren. Los geht es mit einer Kinderdisco und Workshops für Kinder und Erwachsene, in denen alle, ob mit oder ohne Erfahrung, Stile von Streetdance bis Elektro austesten können. Für die Reihe „Mein Tanz“ haben Kinder Choreografien für fünf Miniaturstücke entworfen, die von Profis getanzt werden.

Beim Format „Social Muscle Club“ ­werden auf Zetteln Wünsche und ­Angebote ­notiert und besprochen. In dieser erstmalig von Teenagern moderierten Ausgabe geht es um das Tanzhaus selbst: „Was kann der Ort dir geben? Was gibst du ihm?“ Die ­Gruppe „Gob Squad“ lädt bei der Performance-Installation „For the ones we love“ ein, geliebte Menschen durch Zeichnen und Erzählen in den Theater-Raum zu holen.

Ebenfalls am Start sind die beiden künftigen Hauspartner von TanzZeit: Der Verein „Dance on Boards“ bietet Tanzprojekte auf Skateboards an. „Future Move“ ist eine Plattform an der Schnittstelle zwischen Bildung, Kunst, Tanz für Menschen und Themen, die im kulturellen Raum nur marginal sichtbar sind.

Am Abend ist mit dem Krump-Stück „A Human Race“ (empfohlen ab elf Jahren) eine der erfolgreichsten Produktionen der „Tanzkomplizen“ zu sehen. Krump ist ein Streetdance-Stil aus der Schwarzen ­Community L.A.s. Wut und Verzweiflung über rassistisches Unrecht, aber auch Hoffnung auf ein Miteinander entladen sich in kraftvollen Bewegungen. Fünf Krumper tanzen dabei in einem mit Sand gestreuten Kreis zu den aufwühlenden Klängen von Igor Strawinskys „Le sacre du printemps“.

Die Feier endet standesgemäß mit einer Party im Clubraum. Aber damit geht die Geschichte des Jungen Tanzhauses Berlin erst richtig los.

Text: Teresa Schomburg 

Junges Tanzhaus: Lucy-Lameck-Str. 32, Neukölln, Tel. 544 53 93 70, Eröffnung: Sa, 22.11., ab 11 Uhr bis nachts