Berlin (dpa) – Der neue Chef des auf unbemannte Systeme spezialisierten Rüstungsherstellers Stark Defence will schnell Voraussetzungen für die breite Einführung von Drohnen-Waffen in der Bundeswehr schaffen. «Innerhalb eines Jahres können wir tausende komplett zertifizierte Systeme mit Gefechtskopf liefern. Die Ambition ist, zehntausende Systeme zu liefern», sagte Uwe Horstmann (39), CEO des Berliner Unternehmens, der Deutschen Presse-Agentur. Auch könne Stark tausende Soldaten ausbilden.
Derzeit erprobt die Bundeswehr die schon in der Ukraine eingesetzte Kamikazedrohne Virtus des Rüstungsherstellers. Das Waffensystem gehört in die Kategorie der sogenannten Loitering Munition. Diese mit Sprengköpfen versehenen Drohnen können über einem Gefechtsfeld kreisen und auf gegnerische Ziele gesteuert werden – auch im Verbund mit komplexen Aufklärungssystemen, die Ziele ausfindig machen. Die Waffen prägen in der Ukraine zusammen mit anderen Drohnensystemen die Art der Kriegführung, vor allem in der Nähe zur Front.
Nato-Fonds: Wegweisende Lösungen
Stark hat nach eigenen Angaben in neue Gefechtsköpfe investiert und will bis 2027 eine vollständig zertifizierte europäische Loitering Munition auf den Markt bringen. Das Unternehmen hat auch unbemannte Boote («Systemfamilie Vanta») bei der Nato-Übung Repmus in Portugal demonstriert.
Alle Entwicklungen werden über Starks KI-gestütztes Missionsführungssystem Minerva betrieben. Das Unternehmen erklärt, damit sei ein koordinierter Einsatz unbemannter Systeme an Land, in der Luft und auf See möglich.
Horstmann ist Reserveoffizier und hat seine Karriere 2007 bei Rocket Internet begonnen. Er ist Mitgründer von Project A, einem Risikokapitalfonds, der auch in das 2024 gegründete Unternehmen Stark Defence investiert hat.
Zu den Geldgebern gehört zudem der Nato Innovation Fund, ein von mehr als 20 Nato-Staaten getragener Risikokapitalfonds. Dieser bescheinigt Stark und seinen aktuell etwa 250 Mitarbeitern «wegweisende Lösungen», die die Sicherheit des Bündnisses stärkten.
Horstmann soll eine Phase des Wachstums einleiten. Ziele seien der Ausbau der Produktionskapazitäten, eine Erweiterung um Systeme mit größeren Reichweiten sowie der Ausbau der Zusammenarbeit mit internationalen Partnern.
Ziel Abschreckung: Drohnen in Massen produzieren
Die Kamikazedrohne Virtus wurde in Zusammenarbeit mit den ukrainischen Streitkräften entwickelt. Sie trägt einen fünf Kilogramm schweren Gefechtskopf und kreist bis zu eine Stunde lang mit Tempo 120 über dem Kampfgebiet, um sich dann im Sturzflug mit Tempo 250 auf ein Ziel zu stürzen. Das Unternehmen gibt die Reichweite mit 100 Kilometern an. Die Systeme stützen sich auf Künstliche Intelligenz. Der Bediener gebe aber den finalen Befehl zum Angriff, so das Unternehmen.
Horstmann sagt, Ziel für Deutschland und die Nato sei eine wirksame Abschreckung und ein Beitrag, dass Deutschland hoffentlich nie in eine Kriegssituation komme. Für nötig hält er dafür unbemannte, kosteneffiziente und sehr stark softwaregetriebene Systeme, die in Europa in Massen produziert werden können.
Horstmann sagt: «Wir müssen in der Lage sein, in der Produktion von tausenden Systemen auf Hunderttausende zu kommen – mit einer gewissen Vorlaufzeit.»
Sein Unternehmen lerne vom Kriegsverlauf in der Ukraine viel darüber, wie sich unbemannte Systeme gegenüber militärischen Störmaßnahmen verhalten («Elektronischer Kampf») und nach welchen Grundsätzen sie eingesetzt werden. «Immer wohl wissend, dass das nicht automatisch so ist, wie wir es tun werden oder wie wir es tun würden», sagte er.
Der nächste große Schritt sei es, mehr unbemannte Systeme zu verbinden, die dann gemeinsam komplizierte Einsätze fliegen können. «In der klassischen Luftkriegsführung würde man sagen: combined operations», erläutert Horstmann.
Das Tempo der Innovationen ist sehr hoch
«Wir bekommen das Feedback, dass Virtus in der absoluten Top-Klasse mit dabei ist. Aber das bedeutet auch: Ich muss mich da quasi monatlich oder wöchentlich weiterentwickeln, sonst geht das auch ganz schnell wieder vorbei.» Das sei kein einmaliger Kraftakt, sondern ein Umdenken: «Wie bekomme ich diese schnelle Innovation eigentlich hin.»
Dabei ist es bereits schwer, Kampfdrohnen in Deutschland unter den Bedingungen der elektronischen Kriegführung zu erproben. Denn wer dafür ein Umfeld massiver elektrischer Störungen erzeugt, behindert auch den eigenen Flugverkehr.
Das Unternehmen befasst sich auch mit Konzepten für die Abwehr von Drohnen. Das öffentliche Debatte darum hat wegen der Luftraumverletzungen über Nato-Gebiet und illegaler Überflüge in den vergangenen Wochen erheblich an Fahrt aufgenommen. Über Details will Horstmann noch nicht sprechen und kündigt mehr in Kürze an.
«Das Drohnen-Spektrum ist extrem weit. Vom privaten Drohnenüberflug bis zur anfliegenden Shahed-Alternative», sagt er mit Blick auf die von Russland eingesetzten Nachbauten iranischer Drohnen. Und er sagt: «Ich glaube nicht, dass es rein mit Störung gehen wird, sondern ich glaube, es wird auch mit kinetischer Bekämpfung funktionieren müssen.» Das heißt: Abschießen oder zumindest außer Gefecht setzen.