
Crinitz/Hohenleipisch (dpa/bb) – Backformen, Teekannen, Gurkentöpfe, Butterdosen, Krüge und Vasen in warmen Braun-, Blau- und Grüntönen füllen die Verkaufsregale der Töpferei Tunsch in Crinitz (Elbe-Elster). «Wir machen Gebrauchskeramik – keine Staubfänger», betont Inhaber Hans-Jörg Tunsch.
Sechs Generationen Handwerk
Er führt den Betrieb in sechster Generation. Bruder Christian arbeitet als Angestellter mit. Als Nachfahren des Gründers Carl August Tunsch, der die Töpferei 1833 eröffnete, bewahren die beiden ein Stück Handwerksgeschichte. Die Töpferei zählt zu den ältesten in Brandenburg – ein Besuch gleicht einer Zeitreise.
Im Erdgeschoss befinden sich die historischen Anlagen zur Tonaufbereitung, die noch heute genutzt werden. Im Obergeschoss liegt die Werkstatt: Drehscheiben, Brennofen und Regale voller Keramik, die auf Glasur und den Brand bei fast 1.300 Grad Celsius warten. Hunderte Töpfe, Schüsseln und Teller stehen bereit – jedes Stück ein Unikat.
Formen wie früher – und neue Ideen
«Die Formen sind noch dieselben wie zu Großvaters Zeiten», sagt Hans-Jörg Tunsch. Ein alter Katalog mit Maßen und Zeichnungen dient als Vorlage. Doch auch Sonderanfertigungen gehören zur Produktpalette: eckige Blumenkästen oder ovale Brotbehälter.
Die Arbeit ist aufwendig und Handwerk im wahrsten Sinne des Wortes: «Jedes Teil geht während der Produktion etwa 40- bis 60-mal durch unsere Hände», erklärt Hans-Jörg Tunsch. Währenddessen formt sein Bruder routiniert einen Gurkentopf an der Drehscheibe – in wenigen Minuten entsteht ein weiteres Stück traditioneller Gebrauchskeramik.
Crinitz – einst Töpferhochburg
Das Dorf Crinitz war einst eine Töpferhochburg – begünstigt durch reiche Tonvorkommen. «Ende des 19. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es über 20 Töpfereien, darunter auch vier Industriebetriebe», berichtet Margitta Schulze vom Heimatverein.
Export in alle Welt
In der DDR wurden viele Produkte ins Ausland verkauft. «Die Töpfer hatten feste Verträge, Bestellungen kamen vom Großhandel, danach durften Privatpersonen bestellen – und manchmal gab es noch ‚Bückware’», erinnert sich Schulze. Die Waren wurden zunächst zu Fuß und mit Wagen, später per Bahn oder Lkw verteilt: in die Umgebung, in die Bundesrepublik, nach Norwegen, Holland; säurefestes Steinzeug ging per Waggon sogar bis nach China.
Als die Mauer fiel, hatte Hans-Jörg Tunsch gerade ausgelernt. «1989 brach alles zusammen. Mein Vater versuchte, die Mitarbeiter mit Kurzarbeit zu halten», erzählt er. Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann stieg er Mitte der 1990er Jahre in den Betrieb ein und übernahm ihn vor 16 Jahren. «Es ging langsam wieder bergauf.»
Verkauf mit persönlichem Kontakt
Tunsch setzt weiterhin auf den Direktverkauf im Laden und auf Töpfermärkten sowie auf Geschirr-Bestellungen von Gaststätten. Mit Versandhandel habe er schlechte Erfahrungen gemacht – zu viel sei zerbrochen. Einer der wichtigsten Märkte findet jährlich in Crinitz statt. «Bei gutem Wetter kommen bis zu 30.000 Besucher pro Tag», sagt Hans-Jörg Tunsch.
Der weit über Brandenburg hinaus bekannte Töpfermarkt in Crinitz helfe natürlich auch anderen Produzenten, betont Anett Lück, Obermeisterin der Töpfer-Innung Berlin-Brandenburg. «Er ist wunderbar organisiert und da sind die Kollegen von auswärts dankbar, dass es ihn gibt», sagt sie über den Markt, an dem sich jährlich rund 100 Anbieter beteiligen.
2026 findet der Markt am 11. und 12. April statt und nicht – wie gewohnt – am ersten Aprilwochenende. Grund sei der Töpfermarkt im brandenburgischen Töpferort Görzke, der kommendes Jahr am ersten Aprilwochenende geplant ist.
Zukunft online: Die Töpferei Schulze
Die Crinitzer Töpferei Schulze besteht ebenfalls in der sechsten Generation: Betreiber Annett Schulze und Sohn Jörg setzen aber auch auf den Online-Verkauf. «Das Internet bietet einen riesigen Markt – rund um die Uhr», sagt Jörg Schulze. Mit Bruch habe er kaum Probleme.
Ihr Sortiment haben die beiden in den vergangenen Jahren reduziert: von 180 auf 100 Produkte. «Traditionell, einfach und schnörkellos», lautet das Motto. «Die Menschen beschäftigen sich wieder mehr mit Lebensmitteln und hochwertigem Geschirr», sagt Jörg Schulze. Das steigende Bewusstsein für Qualität und Nachhaltigkeit komme auch der Töpferei zugute.
Tunsch setzt Hoffnung in Enkel
Von einst 26 Töpfereien in Crinitz seien heute nur noch drei Töpfereien aktiv, sagt Hans-Jörg Tunsch. Einen Nachfolger hat er bisher nicht – doch er setzt seine Hoffnung in den Enkel, der sich bereits für das Handwerk begeistert.
Handwerk mit Zukunft?
In der Töpfer-Innung sind nach Angaben von Obermeisterin Anett Lück 27 Mitglieder aus Berlin und Brandenburg organisiert. Die Scheibentöpferei gehe zurück, vor allem wegen des Nachwuchsmangels, sagt sie. «Es wird kaum noch ausgebildet.» Dennoch sieht sie Potenzial: «Keramik mit der Hand zu formen, ist ein besonderes Erlebnis – das Ergebnis ist immer persönlich und einzigartig.»