
Potsdam (dpa/bb) – Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) befürchtet angesichts der Kürzung von Lehrerstellen und einer wachsenden Schülerzahl ein problematisches neues Schuljahr. «Wir haben jetzt weniger Stellen, mehr Schülerinnen und Schüler und kein Geld», sagte GEW-Landeschef Günther Fuchs. «Der Unterrichtsausfall ist vorprogrammiert.» Die Klassen würden voller. Zudem steige der Anteil der Seiteneinsteiger.
GEW plant Klage und neue Proteste
Der Gewerkschaftschef kündigte neue Proteste an. «Wir werden massiv den Druck erhöhen», sagte Fuchs. «Wir planen auch weitere Protestaktionen.» Eine sogenannte Normenkontrollklage gegen die geplante zusätzliche Unterrichtsstunde ab dem zweiten Schulhalbjahr ist bereits vorgesehen. Außerdem sind individuelle Klagen von Lehrkräften geplant.
Fuchs sieht Chancen für einen juristischen Erfolg. Er verweist auf eine Entscheidung des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG), das einem pensionierten Grundschulrektor im Februar einen finanziellen Ausgleich für seine geleistete Mehrarbeit zugesprochen hatte.
Lehrerdefizit und Mehrstunde
Brandenburg startet am Montag ins neue Schuljahr mit Lehrermangel. Etwa 255 Vollzeitstellen sind laut Bildungsministerium unbesetzt. Bis Mitte August wurden rund 1.500 Lehrkräfte unbefristet und rund 1.100 befristet eingestellt – knapp die Hälfte sind Quereinsteiger, das ist Höchststand in zehn Jahren. Auch die Zahl der Schülerinnen und Schüler steigt laut Ministerium mit etwa 323.600 auf einen Rekordwert der vergangenen zehn Jahre. Nach Angaben der GEW gehen in diesem Schuljahr rund 1.200 Stellen von Lehrkräften verloren, 3.600 Schülerinnen und Schüler kommen hinzu.
In Brandenburg ist die Zahl der Lehrerstellen im Haushalt dieses Jahres um 345 Vollzeitstellen gesunken. Die Lehrerinnen und Lehrer sollen ab dem zweiten Halbjahr eine Stunde pro Woche mehr unterrichten – das soll nicht für alle Schulen gelten – und an anderer Stelle entlastet werden. Beides hatte für Proteste gesorgt. Zusatzangebote wie Chor oder Theater können zudem im neuen Schuljahr wegfallen.
Die Mehrstunde bewirkt, dass pro Schule teils weniger Lehrkräfte gebraucht werden, der Überhang soll an anderer Stelle eingesetzt werden. Der Zuwachs der Unterrichtsstunden ist nach Angaben von Finanzminister Robert Crumbach (BSW) größer als der Rückgang durch die sinkende Zahl von Lehrerstellen.
Gewerkschaft offen für Gespräche
Die Bildungsgewerkschaft zeigte sich offen für Verhandlungen mit der Landesregierung. «Wir sind bereit, Gespräche zu führen über die aktuelle Situation im Schulbereich», sagte Fuchs. Man könne über Anreizsysteme, auch über Arbeitszeitkonten eine Menge kompensieren. Die GEW fordert die Lehrkräfte zu einer genauen Arbeitszeiterfassung auf.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte im Juni den Gewerkschaften Gespräche angeboten und gesagt: «Die Tür steht offen.» Fuchs sagte daraufhin, die GEW werde die Kürzungen und die Mehrstunde nicht «absegnen».
Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) plant weitere Entlastungen für Lehrer. Im vergangenen Jahr hatten sich das Ministerium, die GEW und dbb Brandenburg und Tarifunion auf eine Entlastung von Tätigkeiten verständigt.