François Ozon spielt in seinem neuen Film „Wenn der Herbst naht“ gekonnt mit den Erwartungshaltungen des Zuschauers
Der französische Star-Regisseur François Ozon spürt in seinen zahlreichen Filmen (etwa „8 Frauen“ oder „Das Schmuckstück“) seit jeher der menschlichen Natur und ihren Abgründen nach. Dabei hat er sich schon oft als Künstler der Mehrdeutigkeiten erwiesen.
So auch in seinem neuen Film „Wenn der Herbst naht“. Angesiedelt in einem wunderschönen Kaff im Burgund, erzählt die Tragikomödie von der zufriedenen Rentnerin Michelle Giraud (Hélène Vincent). Die ehemalige Sexarbeiterin aus Paris verbringt hier einen scheinbar perfekten Ruhestand. An der Seite ihrer besten Freundin Marie-Claude (Josiane Balasko) vergehen die Tage mit Waldspaziergängen, dem Sammeln von Pilzen und gemütlichen Nachmittagen vor dem Kamin.
Zwischen Drama, Krimi und Komödie
Doch – typisch François Ozon – lässt eine Störung der Idylle nicht lange auf sich warten. Michelles Tochter Valérie (Ludivine Sagnier) kommt nämlich zu Besuch und verträgt die gekochten Pilze nicht. Sofort klagt sie ihre Mutter der bewussten Vergiftung an und bringt das ohnehin angespannte Verhältnis der beiden an einen Kipppunkt. Zeitgleich wird Marie-Claudes Sohn Vincent (Pierre Lottin) aus einer langen Haftstrafe entlassen – und hilfsbereit, wie Michelle ist, bietet sie ihm an, als Gärtner für sie zu arbeiten. Vincent, dankbar, möchte sich revanchieren und bei dem Mutter-Tochter-Konflikt schlichten, der Michelle so traurig macht. Dafür reist er extra nach Paris. Wer Ozon-Filme kennt, weiß, dass es ab diesem Punkt nur eskalieren kann.
Hélène Vincent, die im Jahr 2019 bereits eine Nebenrolle in Ozons Film „Gelobt sei Gott“ hatte, liefert eine überzeugende Darstellung der Michelle, die eine bemerkenswerte Wandlung durchläuft: Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto weniger traut man ihr über den Weg. Im Kern stellt der Film folgende Frage: Wozu ist ein Mensch fähig, der alles zu verlieren dort?
Gleichzeitig fragt man sich, ob Ozon mit seiner mystischen Filmmusik und unklaren Anspielungen nur wieder ein Katz- und Maus-Spiel mit uns treibt. So oszilliert der Film sehr gelungen zwischen schwarzer Komödie, Krimi und Familiendrama.
Wenn der Herbst naht F 2024, 102 Min., R: François Ozon, D: Héléne Vincent, Josiane Balasko, Ludivine Sagnier, Pierre Lottin, Kinostart: 28.8.
Text: Marie Ladstätter