Die Blue Man Group war 21 Jahre lang fest in Berlin verankert. Bild: Harald Fuhr/BMG
Die Blue Man Group war 21 Jahre lang fest in Berlin verankert. Bild: Harald Fuhr/BMG

ENTERTAINMENT Nach 21 Jahren verlässt die Blue Man Group ihren Standort in Berlin – mit einem weinenden und einem lachenden Auge

Das lachende Auge ist der ­Rekord: Niemals lief in Berlin eine Show so lange wie die der blauen Menschen von der Blue Man Group. Am 9. Mai 2004 starteten die Macher ihre ­Erfolgswelle. Zur Überraschung vieler hatten sich die Verantwortlichen als Startpunkt für Europa – in den USA war und ist man an mehreren Standorten präsent – nicht vermeintlich übermächtige Entertainment-Metropolen wie London, Paris oder die Musical-affinen Städte Wien oder Hamburg ausgesucht, sondern Berlin.


„Das liegt auch daran, dass ganz ­viele ­deutsche Touristen unsere Show in ­Manhattan besuchen“, erzählte damals zum Start Phil Stanton, neben Matt Goldman und Chris Wink einer der drei Gründungsväter der Truppe. So fühlten sich die drei von Berlin instinktiv angezogen, die Stadt als „Frontier“ zum Osten interessierte sie. Und die deutsche Kultur hatte es den ­dreien sowieso angetan, so war in der ­mittlerweile auch eingestellten New-York-Show auch von Brecht sowie Sturm und Drang die Rede.

Überhaupt New York: Hier begann alles Ende der 80er-Jahre. Damals schlüpften die Kunstaktivisten Goldman, Stanton und Wink in ihre nicht zu unterscheidenden blauen Outfits und mischten mit Aktionen die New Yorker Kunstszene auf. „Für uns ging es darum, dem nervigen Individualismus der 80er etwas entgegenzusetzen“, ­erklärte Wink. 1991 wurde man mit einer durchgängigen Show im 299 ­Plätze fassenden Astor Theatre sesshaft – der Beginn ­einer Erfolgsgeschichte mit weiteren Standorten, Tourneen, TV-Auftritten, Werbe-Spots.

Doch was ist ein Blue Man? „Keine blauen Männer, sondern blaue Menschen“, erklärte Wink – da spielt uns offenbar die patriarchale englische Sprache einen Streich. ­Diese drei blauen, wortlosen Menschen erkunden die Welt. Neugierig wie Kinder nehmen sie sich jeder Kleinigkeit an und funktionieren sie um. So werden aus ­Plastikrohren beeindruckend klingende ­Musikinstrumente.

Diese Neugierde auf die Welt zieht sich durch die mit vielen visuellen und auditiven Gimmicks angereicherte Show –man denke nur an das bunte Wasser, das beim Trommeln herumspritzt. Das alles ist komisch, irritierend, aufwändig, aufregend – und auf den Punkt genau getimed. Eine Art Kindergeburtstag für die ganze Familie, bei der gerne auch das Publikum mehr oder weniger freiwillig einbezogen wird.

Doch am 31. August ist nun Schluss in ­Berlin. Der Grund: mangelnder Zuspruch seitens der Zuschauer. Jens Fischer ­Rodrian, künstlerischer Leiter, erzählte dem „Tages­spiegel“, dass auch Corona daran eine Mitschuld trage: „Seitdem haben alle Flatscreens in der Wohnung hängen und schauen ­Netflix. Es ist ein größerer Schritt geworden, sich aufzuraffen und 250 Euro für die Familie auszugeben, um sich eine Show anzusehen.“

Wer sie noch nicht gesehen hat, sollte das bis zum 31. August nachholen. Danach dürfte es schwierig werden, den blauen Männern ohne Aufwand live zuzusehen.

Text: Martin Schwarz