
Potsdam (dpa) – Harmonisches Ende nach fast 100 Jahren Streit: Der historische Deal über die Kunstschätze des Hauses Hohenzollern gilt. Die Vereinbarung der Nachfahren des letzten deutschen Kaisers mit der öffentlichen Hand nahm am Freitag die letzte juristische Hürde – das Deutsche Historische Museum stimmte zu, wie zuvor schon alle anderen betroffenen Institutionen.
Damit sind endlich die teils seit 1926 umstrittenen Besitzverhältnisse an Tausenden Kunstwerken, Möbeln, Porzellan und anderen Objekten in Millionenwert sortiert. Freuen wird das die Besucherinnen und Besucher von Museen in Berlin und Brandenburg, denn die Prachtstücke können weiter präsentiert werden. Erleichtert zeigen sich auch die Beteiligten.
Alle hätten «im guten Miteinander eine dauerhafte Lösung gefunden», sagte Hohenzollern-Chef Georg Friedrich Prinz von Preußen der Deutschen Presse-Agentur. Und Kulturstaatsminister Wolfram Weimer meinte: «Nach hundert Jahren haben wir einen Streit aus der Zeit des Übergangs von der Monarchie
zur Republik im besten Einvernehmen beendet.»
Dabei herrschte in diesem jahrzehntelangen Verhandlungskrimi keineswegs immer eitel Sonnenschein. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wer sind die Hohenzollern?
Das Adelsgeschlecht Hohenzollern war lange mächtig und reich. In Preußen stellte es seit dem 18. Jahrhundert die Monarchen und nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 die deutschen Kaiser. Als im November 1918 die Republik ausgerufen wurde, ging der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. ins Exil. Das Vermögen der Hohenzollern wurde beschlagnahmt.
1926 sollte ein Vertrag Vermögensstreitigkeiten ausräumen. Doch blieben offene Fragen, über die letztlich fast 100 Jahre gestritten wurde. Nach der deutschen Einheit meldeten die Hohenzollern Ansprüche auf Stücke an, die während der sowjetischen Besatzung beziehungsweise zu DDR-Zeiten in Ostdeutschland enteignet wurden.
Worum ging es in diesem Streit?
Im Wesentlichen geht es um Inventar aus Schlössern und Herrenhäusern. «Es handelt sich zum Beispiel um Memorabilien, Möbel, Textilien und Gemälde, aber auch um Bibliotheks- und Archivbestände», beschrieb die Bundesregierung den Streitgegenstand. Dabei seien Stücke «von erheblichem Wert und historischer Bedeutung».
Umstritten war vor allem der einstige Bestand des 1877 eröffneten Hohenzollernmuseums im Schloss Monbijou im heutigen Berlin-Mitte. Es wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt und zu DDR-Zeiten 1959 auf Beschluss des Ost-Berliner Magistrats abgerissen.
Seit wann sucht man nach einer Lösung?
Verhandelt wurde mit Unterbrechungen seit 2014. Die Hohenzollern beriefen sich nach Regierungsangaben auf das sogenannte Ausgleichsleistungsgesetz. Demnach zahlt der Staat unter bestimmten Bedingungen Entschädigungen für «Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage». «Bewegliche Sachen» sollen möglichst zurückgegeben werden.
Zeitweise forderten die Hohenzollern auch ein Wohnrecht auf Schloss Cecilienhof in Potsdam. Verhandlungen darüber lehnte die öffentliche Hand ab. Das Land Brandenburg wollte die Hohenzollern auch nicht entschädigen.
Es folgten Entschädigungsklagen vor dem Verwaltungsgericht Potsdam. In dem Zusammenhang erörterten Historiker die Rolle der Hohenzollern in der NS-Zeit, insbesondere von Wilhelm Kronprinz von Preußen (1882-1951). Denn laut Gesetz bekommt keinen Ausgleich, wer dem NS-System «erheblichen Vorschub geleistet hat». 2023 zog die Familie die Klagen zurück. Seit Herbst 2024 saß man wieder am Verhandlungstisch.
Wie sieht die Einigung aus?
Im Ergebnis bleiben nun die meisten umstrittenen Kunstschätze in den Museen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und im Deutschen Historischen Museum (DHM).
Kulturstaatsminister Weimer nannte als besondere Leckerbissen das Bildnis Kurfürst Joachim I. von Brandenburg von Lucas Cranach dem Älteren, die barocken Elfenbeinmöbel des Großen Kurfürsten aus dem Besitz von Johann Moritz von Nassau-Siegen oder das Tafelservice für das 1750 von Friedrich II. erworbene Breslauer Stadtschloss.
Der Deal ordnet die Besitzverhältnisse. Umstrittene Objekte aus dem früheren Hohenzollernmuseum gehen an eine gemeinnützige «Stiftung Hohenzollernscher Kunstbesitz», in der die öffentliche Hand mehrheitlich das Sagen hat. Allein die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bringt nach eigenen Angaben rechtlich 1.685 Werke in diese neue Stiftung ein.
Zur Einigung gehört, dass Objekte einer sogenannten 19er-Liste mit Kunstwerken von herausragender Bedeutung «eindeutig der öffentlichen Hand zugeordnet» werden. Dazu zählen etwa die sogenannte Prinzessinnengruppe von Johann Gottfried Schadow oder das Gemälde «Der Tanz» von Antoine Watteau.
Das Haus Hohenzollern verzichtet also teilweise auf Besitzansprüche. Dafür werden andere umstrittene Stücke ihrem Eigentum zugeordnet. Das sind Objekte auf einer 2018 für die Verhandlungen zusammengestellten Liste, der sogenannten C-Liste. Auch sieben sogenannte Tabatieren gehen an die Hohenzollern – das sind prächtig verzierte Tabakdosen.
Was bekommen die Hohenzollern dafür?
Diese sieben Tabatieren sind ein wichtiger Punkt. Vereinbart ist, dass zwei davon als Dauerleihgabe in Museen bleiben. Über fünf der Stücke kann das Haus Hohenzollern also verfügen. Nach einem Bericht des «Spiegel» liegt der Marktwert bei etwa 20 Millionen Euro und könnte weiter steigen.
Verfügen können die Hohenzollern auch über die Objekte, die ihnen zugeordnet werden. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gibt nach eigenen Angaben 2.999 Einzelobjekte ab. Darunter sind allein 2.122 Münzen sowie Fächer, Kästchen, Porzellane und anderes. Der Marktwert dieser Stücke wird laut «Spiegel» auf gut zwei Millionen Euro geschätzt.
Die Hohenzollern erhalten auch Mitsprache in der neuen gemeinnützigen Stiftung, in der sie künftig drei Sitze im Stiftungsrat haben. Die öffentliche Hand hat jedoch eine Zweidrittelmehrheit im Rat. Obwohl die Papiere zur Einigung und zur Stiftung nun öffentlich sind, bleiben etliche Details unbekannt, so etwa die genauen Listen zur Verteilung der Einzelstücke. Auch zum Wert der Gegenstände gibt es keine offiziellen Angaben. Er wird auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt.