Berlin (dpa/bb) – Nach vielen Jahren stetig sinkender Wahlergebnisse peilt die Berliner SPD bei der nächsten Wahl im kommenden Jahr eine Trendwende an. «Wir wollen wieder stärkste Kraft werden. Wir wollen Berlin wieder aus dem Roten Rathaus heraus regieren», sagte Parteichef Martin Hikel auf einem SPD-Landesparteitag in Kreuzberg. «Wir sind und bleiben die Berlin-Partei.» Die SPD stehe für soziale Gerechtigkeit, nur sie sei bei diesem Thema glaubwürdig.
Hikel lobte die Arbeit der SPD im schwarz-roten Senat von Regierungschef Kai Wegner (CDU). «Unsere SPD-Senatsverwaltungen liefern.» Als Beispiele nannte Hikel unter anderem das sogenannte Schneller-Bauen-Gesetz, den Umbau der Energieinfrastruktur, die Sicherung sozialer Angebote in der Stadt, die Förderung von «Exzellenzstrukturen in der Wissenschaft» oder den Ausbau der Sicherheit.
Kritik an CDU
Kritik übte Hikel am Koalitionspartner CDU. Er zeigte sich «schockiert» darüber, dass die Bezirke nicht mehr über verkehrslenkende Maßnahmen entscheiden sollten. Die Verkehrsverwaltung von Senatorin Ute Bonde (CDU) hatte jüngst angekündigt, die Mittel für die Planung sogenannter Kiezblocks zur Verkehrsberuhigung zu streichen.
Hikel kritisierte, sie habe das nicht durch einen Verwaltungsakt mitgeteilt, sondern per Pressemitteilung. «So kann man aufgebautes Vertrauen auch mit dem Hintern wieder einreißen», so der Bezirksbürgermeister von Neukölln.
SPD laut Hikel mit klarem Kompass
«Während wir also in den CDU-Häusern wechselnde Hausleitungen und unglückliche, manchmal übersprungartige Entscheidungen ohne klare Führung sehen, hat die SPD einen klaren Plan in diesem Senat», sagte er. Die SPD arbeite mit einem klaren Kompass.
Schwerpunkt Wohnungspolitik
SPD-Kompass in der Mieten- und Wohnungspolitik ist ein umfangreicher Leitantrag, den die Parteitagsdelegierten mit großer Mehrheit beschlossen. Dort fordern die Sozialdemokraten unter anderem, die Wohnungsbauförderung auszubauen, bei Neubauprojekten höher zu bauen, Genossenschaften mehr zu unterstützen, die Mehrwertsteuer auf Baukosten zu senken und Abschreibungsmöglichkeiten beim Bau von Mietwohnungen zu erhöhen.
Thema Enteignung
Gefordert wird auch, den erfolgreichen Volksentscheid 2021 zur Enteignung großer Wohnungskonzerne umzusetzen. Die SPD fordert den Senat auf, bis zum Sommer das schon länger angekündigte Vergesellschaftungsrahmengesetz vorzulegen. Es soll laut Koalitionsvertrag allgemeine Regeln enthalten zur möglichen Vergesellschaftung in Bereichen der Daseinsvorsorge wie Wasser, Energie und Wohnen. Außerdem soll nach dem Willen des SPD-Parteitags noch 2025 ein Entwurf für ein Umsetzungsgesetz zur Vergesellschaftung im Wohnungssektor erarbeitet werden – also einer Enteignung gegen Entschädigung.
Wohnen als Luxus?
Die Lösung der Wohnungsfrage sei die entscheidende soziale Frage in Berlin, sagte die SPD-Co-Landesvorsitzende Nicola Böcker-Giannini. «Wir wollen ein Berlin, in dem Wohnen keine Luxusveranstaltung ist.»
Bezahlbarer Wohnraum ist in Berlin ein knappes Gut. Selbst Normalverdiener haben große Probleme, eine Wohnung zu finden. Die Mieten- und Wohnungspolitik dürfte daher bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl, die in rund 16 Monaten voraussichtlich am 20. September 2026 stattfindet, zu den zentralen Themen gehören. Bei der Bundestagswahl im Februar war die Linke in Berlin mit einem stark auf das Thema Wohnen fokussierten Wahlkampf stärkste Partei geworden.
Der schwarz-rote Senat setzt im Kampf gegen den Wohnungsmangel unter anderem auf Wohnungsbau. Allerdings wurde das selbst gesteckte Ziel von 20.000 neuen Wohnungen pro Jahr bisher nicht erreicht.
Mehr Frauen in die Parlamente
Die Parteitagsdelegierten stellten aber auch in anderer Hinsicht Weichen. So gab es eine breite Mehrheit für die Forderung, künftig bei der Aufstellung von Listen etwa für die Abgeordneten- und die Bundestagswahl alle ungeraden Plätze für Frauen zu reservieren – und damit auch Platz eins. Es ist allerdings eine Soll-Vorschrift – nicht verpflichtend.
Nach langer Diskussion eine klare Mehrheit gab es auch für die Forderung nach einem AfD-Verbotsverfahren. Inhaltlich waren sich die Rednerinnen und Redner von Anfang an weitgehend einig.
Kritisch äußerten sich etliche Delegierte über die Bundespolitik und die SPD-Bundesspitze. Nicht zuletzt der neue Vize-Kanzler, Finanzminister und Fraktionsvorsitzende Lars Klingbeil stand dabei im Zentrum – als derjenige, der zwar das schlechte Abschneiden bei der Bundestagswahl zu verantworten, dann aber sofort die Chance auf den eigenen Machtgewinn gewittert habe.