Seit Jahren ist der Berliner Maßregelvollzug überlastet. (Archivbild)
Seit Jahren ist der Berliner Maßregelvollzug überlastet. (Archivbild) Foto: Jörg Carstensen/dpa

Berlin (dpa/bb) – Die Nationale Stelle zur Verhütung für Folter kritisiert die Rahmenbedingungen des Berliner Maßregelvollzugs deutlich. Insbesondere die Überbelegung des Krankenhauses für den Maßregelvollzug (KMV) beanstandete die Nationale Stelle mit Bezug auf ihren Besuch im April vergangenen Jahres, zu dem nun der Bericht vorgelegt wurde. Je nach Belegungsdruck müssten untergebrachte Personen auf am Fußboden liegenden Matratzen schlafen, heißt es im Bericht, das erachte die Nationale Stelle als untragbar. 

Zum Besuchszeitpunkt war das KMV mit 613 untergebrachten Personen bei einer Kapazität von 549 Plätzen deutlich überbelegt. Seitdem hat sich die Zahl der untergebrachten Patientinnen und Patienten auf 621 erhöht, wie die Senatsverwaltung für Gesundheit auf Anfrage der dpa mitteilte. Dem Besuchsbericht zufolge sei auch die Mehrfachbelegung mit teils bis zu fünf Personen in einem Zimmer ein Problem, der Mangel an Privatsphäre könne Aggressionen auslösen und Zwischenfälle provozieren. 

Problematisch sei außerdem die Personalsituation. Zum Besuchszeitpunkt sei etwa ein Viertel der Stellen unbesetzt gewesen, darunter über 100 Stellen im Bereich Pflege. Deswegen würden Therapieangebote und Arztvisiten ausfallen. 

Steigende Zahl an unterzubringenden Personen

Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Wissenschaft und Pflege verwies in einer Stellungnahme auf von Staatsanwaltschaften und Gerichten zugewiesene steigende Zahl an Personen, die untergebracht werden müssen, teils sogar am gleichen Tag. 

Um die Kapazitäten zu erweitern, sollen Teile der ehemaligen Jugendarrestanstalt in Lichtenrade im Bezirk Tempelhof-Schöneberg voraussichtlich ab September oder Oktober genutzt werden, so die Senatsverwaltung. Dort solle es 49 weitere Betten geben. Auch werde das Haus 8 auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik weiterhin saniert, dort sollen etwa 60 weitere Plätze geschaffen werden. 

Man befinde sich auch weiterhin in Verhandlungen mit anderen Bundesländern, um Straftäter in anderen Anstalten unterzubringen. Auch würden 25 Patienten zeitweise im Krankenhaus des Justizvollzugs untergebracht, und es werde die temporäre Aufnahme in Krankenhäusern der psychiatrischen Regelversorgung geprüft. 

Akute Personalengpässe deutschlandweit

Bei der Personalsituation sei zu berücksichtigen, dass sämtliche forensisch-psychiatrische Einrichtungen in Deutschland mit akuten Personalengpässen konfrontiert seien. Die Arbeitsmarktlage sei äußerst angespannt und die Bewerbersituation sehr schwierig. Derzeit seien rund 79 Prozent aller Planstellen besetzt. 

In den Maßregelvollzug kommen Straftäter, wenn ein Gericht sie als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank einstuft. Sie verbringen dort teils mehrere Jahre. Ist kein Behandlungsplatz im Maßregelvollzug frei, kommen Straftäter zunächst in die sogenannte Organisationshaft im regulären Gefängnis. Dabei darf eine bestimmte Zeitspanne jedoch nicht überschritten werden, sodass eine Entlassung droht. 

Neue ärztliche Leitung

Zum Jahresbeginn hat Julia Krebs die ärztliche Leitung des Berliner Maßregelvollzugs übernommen. Sie war seit 2016 in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Justizvollzugskrankenhauses als Oberärztin tätig. Der vorherige ärztliche Leiter des Krankenhauses, Sven Reiners, hatte im April 2024 «aus Gewissensgründen» gekündigt.