MUSIK-KABARETT Ulrich Michael Heissig zeigt als Irmgard Knef sein Programm „Noch da! 100 Jahr, blondes Haar“ in der Bar jeder Vernunft.
Familie kann man sich nicht aussuchen, Familie hat man, egal, was man von ihr hält. Nicht anders erging es Hildegard Knef, der 1925 in Ulm geborenen, als Urberlinerin berühmt gewordenen Schauspielerin und Chansonnière. Sie durfte seit 1996 über eine Zwillingsschwester staunen, die zehn Minuten nach ihr auf die Welt gekommen war. Angeblich! Denn der unerwartete Familienzuwachs lag an Ulrich Michael Heissig, Autor, Schauspieler und Erfinder dieser Kunstfigur, die er selbst auf der Bühne darstellt.
Seit über 25 Jahren und in einem Dutzend verschiedener Musik-Kabarett-Programme läuft und läuft und läuft Irmgard Knef auf seinen Beinen durch den Kleinkunstkosmos, und der Erfolg gibt der Idee recht. Irmgards Leben war zwar weitaus weniger glamourös als das von Hildchen, doch „ihr Scheitern ist nicht tragisch, sie ist nicht verbittert und kein Trauerkloß“, so Heissig. „Irmgard Knef – Noch da! 100 Jahr, blondes Haar“ heißt seine neue Show in der Bar jeder Vernunft. „Irmgard ist ja längst ins Seniorenheim gezogen.
Sogar KI entdeckt Hildedard Knef für sich
In ihrem Alter schafft sie es einfach nicht mehr, allein in Kreuzberg zu wohnen“, erzählt er: „Aber jetzt möchte sie eine tolle Party zu ihrem 100. Geburtstag feiern, und das Publikum darf sich auf viel Gold freuen!“ Von Anfang an war die Idee für diese Figur, „dass sie die kabarettistische, freche Variante der großen, ernsthaften Künstlerin Hildegard Knef sein soll und vor allem für Entertainment steht“.
Bis ins hohe Alter hat sich die famose Zwillingsschwester, die einmal sagte, dass sie nur Bloody Mary kochen könne, ihre Schnoddrigkeit, Unsentimentaliät und Bosheit bewahrt. Inzwischen hat sie sogar die KI für sich entdeckt, und zwar als Abkürzung für „Knef Irmgard“.
Singen kann sie natürlich immer noch und wird die Hits ihrer Schwester mit anderen Texten vortragen, dazu etwa „Die Moritat vom Mackie Messer“ und „Die alte Frau“ – oder war’s „Der alte Mann“? Heissigs Knef-Abende sind generationenübergreifende Projekte, auch weil sich zahlreiche Musiker – von der Band Extrabreit bis zu DJ Koze – mit Hildegards Songs beschäftigt haben.
Huldigung des ersten deutschen Filmstars nach 45
Einerseits wird „100 Jahr, blondes Haar“ ein Programm voller amüsanter Reminiszenzen werden, andererseits eine liebevolle Hommage an den ersten deutschen Filmstar nach 1945 und die Stilikone der 1960er-Jahre. Was der Kabarettist an der Königin der Boulevard-Presse besonders schätzt: „Das Klischee vom dummen Blondchen hat Hildegard Knef nie bedient!
Konsequent war sie die intellektuelle Blondine, die genau wusste, was sie wollte.“ Obwohl er ihre Zwillingsschwester als „unverwüstlich und unkaputtbar“ bezeichnet, wird es ein paar berührende Momente geben, zum Beispiel wenn sich die erschöpfte Greisin auf ihre Krücken stützt und ihre Gebrechlichkeit offenbart. Schließlich ist Altwerden nichts für Feiglinge – aber bei Ulrich Michael Heissig trotzdem ein schöner, beschwingt-beschwipster Spaß.
Text: Irene Bazinger