Ein alter Mann sitzt in einem Pflegeheim an einem Tisch. Foto: IMAGO / photothek
Ein alter Mann sitzt in einem Pflegeheim an einem Tisch. Foto: IMAGO / photothek

– Meinung –

Kolumne: Der Journalist und Publizist Roland Tichy über Pflegefälle in Deutschland, ihre Sorgen und längst notwendige Reformen.

Die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich im Umgang mit ihren schwächsten Mitgliedern. Legt man diesen Maßstab an, dann verdient Deutschland den Begriff „sozial“ nur noch sehr beschränkt. Derzeit sind 19.000 Pflegefälle von der Sorge betroffen, dass ihr Heim Pleite macht. Nein, die Menschen landen mit ihren Betten nicht auf der Straße. Sie werden verlegt; aber die Sorge treibt sie um.

Wer bettlägerig ist, hat Angst vor jeder Veränderung: Jede Verlegung erhöht die Angst, die Unsicherheit. Im Insolvenzverfahren versuchen die Betreiber zwar, alle Plätze zu halten. Für die Mitarbeiter und die Bewohner ist es trotzdem eine große Belastung. Die einen wüssten nicht, ob am Monatsanfang Geld aufs Konto kommt. Die anderen müssten sich sorgen, wo sie in Zukunft weiterleben. Im Extremfall muss das Heim geräumt werden

Zuschüsse der Sozialämter nötig

„Jedem ist klar, dass dieses System auf jeden Fall zusammenbrechen wird in der Zukunft“, sagt der Sozialdezernent der Städteregion Aachen, Michael Ziemons. Kosten, Mieten, Gehälter und Energiepreise steigen. Wer in ein Heim einzieht, der musste im ersten Halbjahr 2023 durchschnittlich 2.548 Euro im Monat bezahlen. Das sind 15,8 Prozent mehr als noch 2022. In immer weniger Fällen reichen Rente und Ersparnisse für die Pflege. In vielen Fällen müssen die Sozialämter Zuschüsse leisten.

Und hier liegt der Skandal im Skandal: Die Sozialämter haben eine schlechte Zahlungsmoral. Das zeigt Schleswig-Holstein. Dort haben zwei Drittel aller Sozialämter Schulden bei Pflegeeinrichtungen. Auch ambulante Anbieter leiden unter nicht gezahlten Rechnungen. „Personalmangel“, behaupten die Kommunen – zu Lasten der Pflegebedürftigen.

Verantwortlich für den Pflegebereich ist Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Für den Sommer hatte er eine Pflegereform angekündigt – die wirkungslos verpuffte. Seither kümmert er sich um ein „Hitzeschutzprogamm“. Bei den Pflegefällen kommen nur ein paar Plakate an. Sie sollen mehr trinken. Das ist alles.

Text: Roland Tichy