Sollten Fans die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer in Katar boykottieren? Abendblatt-Chefredakteurin Sara Klinke findet: Wegsehen als Form des Protests nützt nicht wirklich etwas.
Die Fußball-WM in Katar stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Korruption, Ausbeutung, Hitze. Auf die Entscheidung für die WM in der Wüste im Jahr 2010 folgten etliche Skandale.
Die Vorfreude auf die WM hält sich daher selbst bei eingefleischten Fußballfans in Grenzen. Fanartikel sind Ladenhüter. Public Viewing gibt es nicht. Und trotzdem rückt das Turnier in greifbare Nähe.
Am 20. November geht es los mit dem Eröffnungsspiel der Gastgeber gegen Ecuador um 17 Uhr deutscher Zeit im Al Bayt Stadion, einem der acht ultramodernen Spielstätten. Am 23. November ist Deutschland das erste Mal gegen Japan dran.
Die Toten der Stadien
Und jetzt stellt sich die Frage: Schaue ich mir das an? Wohlwissend, dass beim Bau der Stadien schätzungsweise Tausende migrantische Arbeiter unter irren Bedingungen ums Leben gekommen sind? Kann man vor diesem Hintergrund überhaupt ein fröhliches Fußballfest feiern?
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Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sieht die Schuld für die Ausbeutung der Arbeiter bei der Fifa. Die Initiative #Boycott Qatar 2022 bestätigt das und begründet ihren Aufruf, das Sportereignis zu boykottieren, unter anderem mit der Gier der Fifa nach immer neuen Geldquellen, der Korruption ihrer Funktionäre, der fatalen Entwicklung des Profifußballs auch in Europa.
„Wir wollen all die Punkte, die uns an der WM 2022 nicht passen, klar benennen: die indiskutable Menschenrechtslage in Katar, die sklavenähnlichen Lebensbedingungen für die Arbeitsmigranten dort“, heißt es seitens der Initiative.
Demokratische Defizite
Das ist voll verständlich und auch an der Zeit, endlich mit der Augenwischerei aufzuhören und darauf zu drängen, die Fifa von Grund auf zu reformieren. Damit Länder mit demokratischen Defiziten wie Russland und Katar künftig nicht mehr den Zuschlag für die WM bekommen.
Die WM 2022 in Katar nicht im Fernsehen anzuschauen, ist dabei jedoch eine sehr einfache Form des Protests. Man kann sich dann zwar persönlich und moralisch auf der sicheren Seite fühlen, aber nützen wird es nicht wirklich etwas. Denn die Milliarden Euro sind ausgegeben, die Fernsehrechte vergeben, die Gewinne gescheffelt.
Vielmehr sollte man hinschauen, beobachten, verfolgen, diskutieren – die Aufmerksamkeit nutzen, um über die Lage in Katar und die Rolle der Fifa zu reden. Der Linke-Politiker Gregor Gysi hat sich im Deutschlandfunk jüngst gegen einen Boykott der Fußball-WM in Katar ausgesprochen.
Korrupte Fifa
Angesichts der vielen Toten beim Bau der Stadien hätte er Katar niemals die WM gegeben. Schlimm sei, dass diesbezüglich bei der Fifa nichts passiert sei. Aber jetzt, kurz vor Anpfiff, würde ein Boykott nur den Mannschaften schaden. Und die spielen einfach Fußball – für den Pokal und nicht zuletzt für ihre Prämie. So läuft das Geschäft.
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Text: Sara Klinke