Der Berliner Senat und der BUND haben eine Debatte über weitere Windräder in Berlin angestoßen. Aus den Bezirken kommen erste Reaktionen.
Diese Mitteilung ließ aufhorchen: Ende Mai hatte Umweltsenatorin Bettina Jarasch angekündigt, dass der Senat Windräder in der Hauptstadt bauen möchte – notfalls auch in der Natur. „Ich gehe nicht gerne an Landschaftsschutzgebiete ran, aber wir werden es nicht ausschließen können, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen“, so die Grünen-Politikerin.
Seitdem tobt eine Debatte über mögliche Standorte. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bringt unter anderem Industrie- und Gewerbegebiete ins Spiel. Dazu zählen Bahnbetriebswerke, etwa in Rummelsburg, sowie die Autobahndreiecke Funkturm (inklusive Messegelände) und Neukölln (einschließlich Gewerbegebiet Neukölln-Südring). Der BUND sieht in diesen Standorten weitab von schützenswerter Natur beispielsweise diesen Vorteil: Durch die Stromerzeugung am Ort des Verbrauchs würde man das Stromnetz entlasten.
Ob, wann und wo in Berlin neue Windräder errichtet werden, ist zurzeit völlig unklar. Zuständig für die Planung und Genehmigung solcher Anlagen ist die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Von dort waren bislang keine Reaktionen auf die Vorstöße von Jarasch und des BUND zu vernehmen.
Neukölln ist offen für Windräder
Wohl aber aus den Bezirken. „Wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen und die Grundstückseigentümer in Gewerbegebieten ihre Flächen dafür zur Verfügung stellen, sind natürlich Windräder auch in Neukölln denkbar“, kommentiert Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) die aktuellen Standort-Vorschläge. „Der Bezirk wird sich nicht gegen Windräder stellen.“ Dem Bezirksamt seien allerdings weder Anträge noch konkrete Planungen auf Neuköllner Gebiet bekannt.
Und weiter: „Was konkret genehmigt werden kann, hängt von den rechtlichen Rahmenbedingungen wie dem Abstand zu Wohngebieten ab. Umso wichtiger ist es deshalb, dass das Land hier einen klaren Rahmen schafft und das Thema gesamststädtisch angeht.“ Hikel fordert die Umweltsenatorin auf, einen Masterplan „Windräder für Berlin“ vorzulegen.
Windräder im Grünen
Mit der Forderung nach einem Masterplan ist Hikel nicht allein. Denn längst kursieren viele weitere mögliche Standorte für Windkraftanlagen, die der Senat selbst aufgeführt hat. In einer Senatsstudie von 2005 werden der Bucher Forst, Buchholz und Arkenberge in Pankow, die Rieselfelder Gatow in Spandau, die Wartenberger Feldmark in Lichtenberg, die Krummendammer Heide und die Kanonenberge in Treptow-Köpenick sowie der Tegeler Forst in Reinickendorf genannt.
Kürzlich hatte rbb24 über die Studie berichtet, die seinerzeit in der Schublade verschwand. Offen ist bislang, welche Relevanz sie für künftige Planungen hat.
Auch das Bezirksamt Treptow-Köpenick wünscht sich einen Masterplan für den Ausbau der Windkraft in der Hauptstadt. Zurückhaltend kommentiert man die besagte Senatsstudie.
Areale in Wasserschutzgebieten
„Bei den Arealen Krummendammer Heide, Kanonenberge und Schmöckwitzer Werder handelt es sich ausnahmslos um Waldflächen und im Falle der Krummendammer Heide mittlerweile um ein Landschaftsschutzgebiet“, so eine Sprecherin. „Für die beiden anderen Standorte folgt demnächst ein Unterschutzstellungsverfahren.“ Zudem befänden sich alle Areale in Wasserschutzgebieten.
Die Berliner Forsten seien bereits durch Hitze und Trockenheit, aber auch durch den verstärkten Nutzungsdruck seitens Erholungssuchender auch infolge der Corona-Pandemie extrem belastet. „Dies durch den Bau von Windenergieanlagen und die damit einhergehenden, auch baulichen Anforderungen und Eingriffe nochmals zu verstärken, ist zu hinterfragen“, so die Sprecherin.
Berlin verfügt derzeit über sechs große Windenergieanlagen. Diese befinden sich im Bezirk Pankow. Vier Windräder stehen im Gewerbegebiet am Autobahndreieck Pankow, zwei an der Bundesstraße B2 an der Grenze zu Brandenburg.
Flächen klar abgrenzen
Die zuständige Pankower Stadträtin Rona Tietje betont, der Bezirk habe Windkraftanlagen „immer postiv begleitet“. Ein Windkraft-Masterplan für ganz Berlin müsste ihrer Ansicht nach scharf abgegrenzten Flächen im Stadtgebiet behinhalten, auf denen Windräder grundsätzlich entstehen können.
Viele Städte und Gemeinden in Deutschland hätten sogenannte Konzentrationszonen im Flächennutzungsplan ausgewiesen, so die SPD-Politikerin.
„Generell ist es in einer dicht besiedelten Stadt wie Berlin schwierig Windräder so Windräder einzusetzen und aufzustellen wie in Flächenländern“, sagt Korinna Stephan, Bezirkstadträtin für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr in Reinickendorf.
„Aus Sicht des Bezirks muss es in einem Masterplan einen Einklang zwischen der nachhaltigen Energiegewinnung auf der einen und den Bedürfnissen der Menschen sowie der Natur auf der anderen Seite geben“, so die Grünen-Politikerin. „Hier hat eine sorgfältige Abwägung stattzufinden.“
Text: Nils Michaelis