Reizzahl 130: Viele nehmen wegen hoher Spritpreise längst freiwillig den Fuß vom Gas. Bild: IMAGO/Sven Simon
Reizzahl 130: Viele nehmen wegen hoher Spritpreise längst freiwillig den Fuß vom Gas. Bild: IMAGO/Sven Simon

Die Forderungen nach einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung reißen nicht ab. Das hat auch mit den Krisen unserer Zeit zu tun.

Gute Argumente für ein Tempolimit gab es schon immer. Nie zuvor allerdings kam es so sehr darauf an, die seit Jahren vor allem von den Grünen und Umweltinitiativen erhobene Forderung nach Tempo 130 auf Deutschlands Autobahnen auch tatsächlich umzusetzen. Nie war es so entscheidend, Öl und Benzin einzusparen

Russlands Krieg in der Ukraine ist der endgültige und besonders tragische Beweis dafür, in welch fatale Lage Deutschland und Europa durch die sogenannte Energiepartnerschaft mit Putins Reich geraten sind. Weg vom russischen Öl: Auch darauf kommt es jetzt an.

Ein Tempolimit wäre ein gutes Mittel, um ein Öl-Embargo gegen Moskau auf den Weg zu bringen oder zu flankieren: Wer weniger Treibstoff verbrennt, benötigt weniger Öl von Russland und anderen Autokratien.

Klimagase begrenzen

Aber auch, um die Folgen des Klimawandels abzufedern, kommt es darauf an, weniger Benzin zu verbrauchen. Erst kürzlich hat der Weltklimarat erneut darauf hingewiesen, dass das Zeitfenster für wirksame Maßnahmen immer kleiner wird.

Einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung, für die mittlerweile auch der Deutsche Städtetag eintritt, kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes würde Tempo 130 die klimaschädlichen Emissionen pro Jahr um 1,9 Millionen Tonnen senken.

In einem sind sich Experten einig: Ein Tempolimit ließe sich relativ schnell und unkompliziert umsetzen. Nötig wäre dafür allerdings ein eindeutiger politischer Wille auf Bundesebene.

Fehlender politischer Wille

Danach sieht es in der Ampel-Koalition derzeit nicht aus. Beim Thema Geschwindigkeitsbegrenzung steht vor allem die FDP auf der Bremse.

Böse Zungen behaupten, den Liberalen komme es darauf an, besserverdienende Besitzer PS-starker Autos nicht vergrätzen zu wollen. Diese Klientelpolitik ist nicht nur aus der Zeit gefallen, sie ist gefährlich. Sie verhindert Weichenstellungen, die für die Zukunft dieses Landes essenziell sind.

SPD und Grüne haben sich vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges erneut für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen stark gemacht. „In dieser Krise sollten wir das sofort machen, es spart unmittelbar Energie ein“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dem „Tagesspiegel“.

Große Bereitschaft

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) müssen den kleinsten Koalitionspartner endlich zur Räson bringen.

Die Bereitschaft für Tempo 130 in der Bevölkerung dürfte ohnehin größer sein, als die FDP und andere Skeptiker wahrhaben wollen. Seitdem die Spritpreise die Zwei-Euro-Schallmauer durchbrochen haben, geht es auf vielen Autobahnen gemächlicher zu als früher. Ein Tempolimit würde also etwas besiegeln, was von vielen Autofahrern längst gelebt wird.

Text: Nils Michaelis