Helfer der Berliner Stadtmission versorgen ukrainische Geflüchtete am Hauptbahnhof. Bild: IMAGO/epd
Helfer der Berliner Stadtmission versorgen ukrainische Geflüchtete am Hauptbahnhof. Bild: IMAGO/epd

Ohne zivilgesellschaftliche Initiativen wäre die Versorgung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge in Berlin undenkbar. Doch einigen Gruppen droht bald die Kraft auszugehen. Sie fühlen sich im Stich gelassen. Mit einem Offenen Brief wenden sie sich an den Senat.

Womöglich haben die Hilfsorganisationen in naher Zukunft nicht mehr viel zu verteilen. Das hat auch mit der zurückgehenden Spendenbereitschaft der Berliner zu tun.

Auch bei „Moabit hilft“ leeren sich die Regale. Der Verein schlägt Alarm: Die Spenden seien gegenüber den ersten Kriegstagen um zwei Drittel eingebrochen. „Die Spendenbereitschaft hat deutlich nachgelassen, sie ist fast im freien Fall“, bestätigt Simon Neuffer, der Gründer der Plattform adiuto.org, die dabei helfen soll, Spenden zu kanalisieren, gegenüber dem rbb. Abgesehen von Kleidung fehlen vielen Hilfsorganisationen vor allem Sachspenden.

Weniger Spenden

Nicht nur der Rückgang bei den Spenden ist ein Problem. Aus Sicht der Initiativen liegt bei der Versorgung der geflüchteten Ukrainer durch das Land Berlin einiges im Argen. Zugespitzt gesagt: Würden die Behörden ihre Sache ordentlich machen, würde weniger Arbeit bei Vereinen wie „Moabit hilft“ hängen bleiben.

Rund 96 Prozent der Menschen, die die Ausgabestelle für Lebensmittel und Hygieneartikel besuchen, seien Ukrainer, heißt es bei „Moabit hilft“. Zusammen mit anderen Initiativen hat der Verein einen Offenen Brief an Sozial- und Integrationssenatorin Katja Kipping (Die Linke) und die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) geschickt.

Massives Defizit

„Unserer Wahrnehmung nach wird ein massives Defizit in Unterbringung und Versorgung aller Geflüchteten in Berlin in der öffentlichen und medialen Darstellung Berlins verschleiert oder verzerrt dargestellt“, heißt es in dem Schreiben.

 


 

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Besonders kritisch werden das Ankunftszentrum auf dem früheren Flughafen Tegel und das Verfahren bei der Unterbringung gesehen. Die Prozesse in Tegel seien weder für Geflüchtete noch für Helfer nachvollziehbar.

Im Ergebnis würden Menschen eine Registrierung vermeiden. Diese ist allerdings die Voraussetzung. um dauerhaft Sozialleistungen zu beziehen. Auch, um die Zivilgesellschaft weiterhin einzubinden. müssten Strukturen und Zuständigkeiten geklärt werden.

Am Limit

Diana Henniges, die Gründerin von „Moabit hilft“, fordert, die Versorgung der Geflüchteten als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu begreifen. „Wir haben jeden Tag laufende Kosten und müssen finanziell entlastet werden“, sagt sie. Auch personell sei das Limit erreicht.

Aufseiten des Senats vermisst sie eine echte Diskussionsbereitschaft und den Willen, zu praktischen Lösungen zu kommen. Henniges schlägt vor, dass der Senat an vier zentralen Punkten Anlaufstellen einrichtet, wo Geflüchtete Essen und Beratung bei der Beantragung von Sozialleistungen bekommen. Außerdem sollte das Land bestehende Ausgabestellen mit Lebensmitteln versorgen.

Dazu die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales: „Wir nehmen alle Vorschläge und Ideen, die dazu dienen, die Situation der Kriegsgeflüchteten zu verbessern, dankend auf und schauen, ob sie sich realisieren und finanzieren lassen.“

Land übernimmt Aufgaben

Die Behörde unterstütze Spendenaktionen und habe eine Reihe von Aufgaben in die Zuständigkeit des Landes übertragen. Das betrifft zum Beispiel die Essensversorgung am Hauptbahnhof, wo täglich etwa 10.000 Portionen kostenlos verteilt und vom Land Berlin finanziert werden.

Auch das Willkommenszelt „Welcome Hall Berlin“ auf dem Washingtonplatz übernehme eine wichtige Funktion beim Ankommen, Versorgen und der möglichen Weiterreise in Bus-Shuttles nach Tegel, die ebenfalls im Auftrag des Landes Berlin unterwegs sind.

Generell gelte: Geflüchtete aus der Ukraine, die sich in Einrichtungen des Landes Berlin aufhalten oder im Ukraine-Ankunftszentrum Tegel ankommen, werden ganztägig mit Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs versorgt. Die Sozialämter in den Bezirken stünden als Anlaufstelle für dringende Hilfen zur Verfügung.  

Lösungen suchen

Mit der „aktiven Zivilgesellschaft“ wolle man auch weiterhin nach Lösungen zur Bewältigung der aktuellen Situation suchen.

Text: Nils Michaelis