Tatortstraße bei der Polizei Berlin: Fingerabdrücke werden mit Rußpulver sichtbar gemacht.

Sechs detailgetreue Kulissen dienen auf dem Gelände der Polizeiakademie in Berlin-Spandau als Tatorte zum Lernen für Auszubildende.

Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet auf dem Gelände der Polizeiakademie Berlin reiht sich ein Tatort an den nächsten. Auf dem Areal in Spandau sind sechs detailgetreue Kulissen aufgebaut: vom ausgestatteten Späti, über eine Gartenlaube bis hin zu einer Kneipe und einer vollständig eingerichteten Zwei-Zimmerwohnung. Angehende und gestandene Polizeikräfte üben dort berufspraktische Fertigkeiten, wie Spuren sichern, Zeugen befragen und Beweismittel in Wohnungen aufspüren.

Wichtige Grundlagen

„Wir durchlaufen hier den kompletten ersten Angriff“, fasst die Leiterin der Tatortstraße Simone Schlief zusammen. Welches Werkzeug hat der oder die Täterin bei einem Einbruch benutzt? Gibt es Blut- oder Schuhabdruckspuren? Wie werden Spuren rechtssicher dokumentiert und in die Polizeisoftware „POLIKS“ eingegeben? Trainiert wird auch der Umgang mit den Opfern einer Straftat. „Die Leute, die zu uns kommen, sind meist sehr jung“, so Schlief. „Wir vermitteln ihnen hier wichtige Grundlagen, auch zum Thema Kommunikation. Die Tatortstraße in der jetzigen Form gibt es seit 2006. Die ersten Tatorträume wurden bereits 1955 eingeführt, jedoch in einem anderen Haus. Jedes Jahr üben hier ca. 1.200 Polizeikräfte ihr Handwerk. Die Räume sind zu über 90 Prozent ausgelastet, geschult wird teilweise sogar im Schichtbetrieb zwischen 7 und 19 Uhr.

Lehrkräfte legen Spuren – Azubis rekonstruieren die Tat

Die mehrtägige Schulung in der Tatortstraße wird von allen durchlaufen, die eine Ausbildung oder ein Studium bei der Schutz- oder Kriminalpolizei absolvieren. Das Modul dauert – je nach Laufbahn – drei bis sechs Tage. Die Auszubildenden im gehobenen Dienst absolvieren eine praktische und theoretische Abschlussprüfung. Der Fokus liegt auf den vier wichtigsten Spurenarten: Finger- und Schuhabdrücke, DNA– sowie Werkzeugspuren. Die Fachlehrerinnen und Fachlehrer stellen eine Straftat nach und die Polizeikräfte ziehen aus dem Spurenbild ihre Schlüsse. Dafür werden Schuh- und Fingerabdrücke platziert, Fenster aufgehebelt und Türen aufgebrochen. Damit der Tatort authentisch wirkt, werden auch Glasscherben verstreut, Schubladen herausgerissen oder DNA-Spuren gelegt.

Vom Fingerabdruck zur Tatortkarte

In den Basisseminaren für angehende Polizisten geht es vor allem um die Spurensuche und deren Dokumentation. Es gibt eine große Bandbreite an Techniken und Hilfsmitteln, die situationsgerecht eingesetzt werden müssen. Und das erfordert viel Know-how. Beispiel Fingerabdruck: Dieser wird üblicherweise mit Rußpulver sichtbar gemacht und auf der Spurensicherungsfolie fixiert. Diese Folie wird auf die Spurensicherungskarte geklebt, auf der zusätzlich eine Skizze angefertigt wird. Aus der Zeichnung wird ersichtlich, wo die Spur auf dem Gegenstand positioniert war. Diese Information kann später entscheidend sein: Wurde eine Flasche angefasst, um aus ihr zu trinken oder um mit ihr zuzuschlagen?
 
Die angehenden Polizeikräfte lernen auch vieles, was über die eigentliche Spurensuche hinausgeht. Sie erfahren zum Beispiel, wie ein Türschloss aufgebaut ist und welche Schäden mit welchen Werkzeugen verursacht werden. Das Lernpensum ist groß, aber die Ausbilder achten darauf, das Wissen systematisch zu vermitteln. „Wir haben nichts davon, die Leute zu überfordern; wir wollen motivieren!“, so die Leiterin der Tatortstraße.
 
Angeboten werden auch Fortbildungsveranstaltungen. Im Mittelpunkt stehen dann speziellere Themen, wie das Durchsuchen von Wohnungen nach Schmuck oder Drogen sowie das Sichern anderer Spurenarten. Die Räumlichkeiten stehen zudem anderen Dienststellen zur Verfügung. Zu Gast waren unter anderem die Operative Fallanalyse des Landeskriminalamtes, die Diensthundführerstaffel und das Kriminaltechnische Institut.

Nachwuchs gesucht für die Tatortstraße

Wie ist es in der Tatortstraße zu arbeiten? „Es ist eine wirklich schöne, vielseitige Aufgabe, die viel Spaß macht“ erzählt Leiterin Schlief. Zum Einstieg lernen alle Kolleginnen und Kollegen Hintergründe zu Didaktik und Methodik: Wie ist ein Seminar aufgebaut? Wie spreche ich vor Gruppen und welche Medien setze ich wann ein? Nach dieser Basisqualifizierung folgt die schrittweise Einarbeitung in die Fachthemen, vor allem in die Spurensicherung.

 
Wer Teil des 13-köpfigen Teams werden möchte, muss eine Polizeilaufbahn eingeschlagen haben und Berufserfahrung mitbringen. Neugier, Engagement und Spaß an der Arbeit mit jungen Menschen sind wichtig. „Alles andere kann man hier lernen“, so Schlief. Obwohl die Tatortstraße bereits gut ausgestattet ist, wünscht sich das Team eine Erweiterung. Hierzu könnten auf dem Dachboden zwei weitere Tatorte konzipiert werden. Ideen gibt es viele, wie ein Bootshaus, ein Raum mit aufgestellten Geldautomaten oder eine weitere Wohnung mit anderen Tür- und Fenstervarianten. Ob es hierfür Mittel geben wird, ist derzeit ungewiss.

Führungen für Schulklassen

Schulklassen haben die Möglichkeit, die Tatortstraße im Rahmen einer Führung zu besichtigen. Gute Chancen, einen Termin zu ergattern gibt es im Januar, wenn ausnahmsweise keine Schulungen stattfinden. Ob der Service angeboten werden kann, hängt allerdings vom Pandemiegeschehen ab.

Interessierte können Anfragen an folgende E-Mailadresse richten: PAFBI3Tatortstrasse@polizei.berlin.de

Text: red, Bild: Polizei Berlin