Kollwitzstraße 64: Früher Szenecafé, heute Kinderdentist.

Warum aus Teilen des einstigen Szenebezirks familienfreundliche Kleinstadt-Idyllen wurden.

Zeitungsartikel aus dem Berliner Abendblatt von 1991.Wolfgang Nagel hat sich geirrt. Leider! Der Prenzlauer Berg könne für die Menschen saniert werden, die heute dort leben, meinte der SPD-Politiker und einstige Berliner Bausenator 1991 auf einem Bürgerforum. Zwar müsse jeder Mieter damit rechnen, „dass er einen privaten Vermieter bekommt“, aber: „Wir sind ein Senat der Mieter und werden eine soziale Katastrophe nicht zulassen“, bekräftigte Nagel.

Ernster Hintergrund

Nun, zur Katastrophe ist es in Prenzlauer Berg nicht gekommen, aber zu einem Bevölkerungsaustausch, der es in sich hatte. Nicht ohne Grund witzelte der Volksmund schon von Schwabylon, wenn es um die Transformation des Prenzlauer Bergs weg von der Szene und hin zur familienfreundlichen Idylle ging. Dabei war der Hintergrund ein sehr ernster: 1990 wurde der Prenzlauer Berg als „größtes Sanierungsgebiet Europas“ identifiziert. Rund 80.000 Wohnungen harrten ihrer dringenden Instandsetzung. Dafür wurden sieben Sanierungsgebiete identifiziert – unter anderem Kollwitz- und Helmholtzplatz – für die eine sozialverträgliche Mietpreisbindung vereinbart wurde. Leider nur für wenige Jahre. Die Folgen von Nagels Fehleinschätzung sind jetzt zu bestaunen. 

Text: M. Wolf, Bilder: Katrin Großmüller, Sara Klinke