Ab 2028 soll die Straßenbahnlinie M10 von Friedrichshain bis zum Hermannplatz fahren – und dabei unter anderem den Wrangelkiez und den Görlitzer Park durchqueren. Wie sehen Anwohner und Gewerbetreibende das Verkehrsprojekt? Das Berliner Abendblatt hat sich einmal an der Falckensteinstraße umgehört.
Nun steht es fest: Die geplante Straßenbahnstrecke von Friedrichshain nach Neukölln soll durch den Görlitzer Park führen. Am Dienstag hatte der Senat grünes Licht für das Projekt gegeben. Die Vorzugsvariante der Streckenführung, die die Senatsverwaltung im Rahmen der Vorplanung näher untersuchen wird, führt in gerader Linie über die Oberbaumbrücke, durch die Falckensteinstraße, durch den Görlitzer Park, über den Landwehrkanal entlang der Glogauer und Pannierstraße bis zur Sonnenallee und biegt dort in Richtung Hermannplatz ab.
Vor allem die Führung durch den Wrangelkiez und den Görli sorgt für Diskussionen und Kritik. Für uns Grund genug, sich im Kiez umzuhören. Große Aufregung gibt es bereits bei den Anwohnenden der jetzt schon eng gestalteten Falckensteinstraße – sie befürchten permanenten Straßenbahnlärm, den Wegfall von Parkplätzen und noch mehr Tourismus-Trubel. Mit der zweigleisig angelegten Route soll die Falckensteinstraße auch für Autos gesperrt werden, zudem werden damit auch rund 300 Parkplätze wegfallen. So sieht es zumindest die von Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) vorgelegte Planung vor.
Fahrradhändler Kubi: „Zu eng für eine Straßenbahn”
„Ich habe jetzt erst davon gehört. Für sich gesehen wäre die Verbindung zu Neukölln und Friedrichshain doch eine interessante Sache”, findet Kubilay Arik, der seit 14 Jahren eine Fahrradwerkstatt an der Falckensteinstraße betreibt. Er macht sich allein Sorgen um die Stellplätze für seine Fahrräder auf den Gehwegen. „Wie es dann mit dem Lieferverkehr hier funktionieren soll, muss man ja auch noch klären”, erklärt der Mechaniker. Immerhin sind für die neugestaltete Straße laut aktueller Visualisierung des Senats zwei 1,50 Meter breite Radwege, die Straßenbahnführung mit mehr als fünf Metern Breite und noch zwei Gehsteige mit je zwei Metern Breite geplant.
„Noch mehr Lärm und Hektik im Partykiez?”
Für Erol, der in der Falckensteinstraße bereits seit 45 Jahren wohnt, sind die Tram-Pläne ein Horror. „Wenigstens tagsüber haben wir hier im Kiez noch etwas Ruhe. Vor Corona hatten wir in den wärmeren Nächten immer Party”, erklärt er. Wenn dazu noch im Zehn-Minuten-Takt die Tram durch den Kiez donnern würde, wäre das purer Stress für den Kiez. „Abends und nachts ist es ohnehin schon hektisch genug”, sagt Erol, den die Tatsache beruhigt, dass die Tram bestenfalls 2028 fertiggestellt werden soll. Bis dahin könne noch viel passieren.
Akis Vintage-Shop: „Bitte keine neue Großbaustelle”
Aki betreibt seit vier Jahren den Shop mit Secondhand-Klamotten am südlichen Ende der Falckensteinstraße. Für sein Sortiment mit Turnschuhen, bunten Blusen und Blue Jeans im Style der Siebziger interessieren sich Touristen und Menschen aus der Nachbarschaft zu gleichen Teilen. „Für mein Geschäft ist es, glaube ich, völlig egal, ob die Tram hier durchgeführt wird oder nicht. Aber die Straße ist meiner Ansicht nach dafür einfach viel zu eng. Außerdem wurden viele Häuser in den vergangenen Jahren saniert. Wenn jetzt noch einmal eine Großbaustelle aufgemacht wird, stinkt das den Nachbarn einfach”, sagt der Ladeninhaber, der sich immerhin etwas Hoffnung macht, dass sich mit den Umgestaltungen an der Straße und im Park auch positive Veränderungen im Zusammenhang mit dem Dealer-Problem in der Nachbarschaft ergeben könnten. „Die Drogenszene und die damit verbundene Kleinkriminalität sind hier echte Probleme. Es ist manchmal richtig gefährlich”, sagt er.
Friseurin Wanja: „Verkehrsberuhigung mit einer Party-Tram?”
Wanja vom Frisiersalon „Hairspree” in der Schlesischen Straße schätzt zumindest die erweiterte Verkehrsberuhigung mit der Führung der Tramroute durch den Wrangelkiez . „Was ich generell davon halten soll, dass ausgerechnet die Party-Tram M10 direkt im eh schon als Feierkiez bekannten Straßenzug vorfährt, weiß ich noch nicht”, sagt die Friseurmeisterin.
Imbissbesitzer Fred: „Gut für’s Geschäft – schlecht für die Nachbarn”
Fred, der seinen kultigen Curry 7-Imbiss an der Schlesischen Straße/ Ecke Falckensteinstraße bereits seit mehr als 20 Jahren betreibt, sieht die M10-Perspektive mit gemischten Gefühlen: „Für’s Geschäft wäre die M10-Route sicherlich gut – aber für die Nachbarn im Kiez ist das mit dem Tram-Lärm natürlich der Horror”, sagt der Imbisswirt. Dass der geplante Bau dieser Straßenbahn wohl noch länger Diskussionen im Kiez nach sich ziehen wird, scheint gewiss. Die Kreuzberger Politik bezieht bereits Stellung und die Kommentarspalten in den sozialen Netzwerken füllen sich. „Nie und Never fährt da ‘ne beknackte Tram durch den Park! Hackts bei denen?” lautet dazu einer der deutlichsten Kommentare, der in der offenen Facebook-Gruppe „Ich Wrangelkiez” zu finden ist.
Datum: 15. April 2021, Bilder und Text: Stefan Bartylla, Visualisierung: BVG