Pflegeheim Welle

Der Alltag in den Seniorenheimen ist zurück – trotz Sorge vor der vierten Welle.

Jetzt, da die vierte Corona-Welle ganz offensichtlich ins Rollen kommt, wird immer deutlicher, wie wichtig die zurückliegenden Wochen der Beinahe-Normalität waren. Vor allem die Seniorenheime hatten diese Verschnaufpause bitter nötig, waren sie doch von der Pandemie am härtesten betroffen. Eine Einrichtung, in der das Virus besonders wütete, war der Katharinenhof Alt-Britz in Neukölln. Auch deshalb gibt es Sorge vor der kalten Jahreszeit und neuen Restriktionen, aber auch viel Optimismus.

Isolation und Trauer

„So ein Weihnachten wollen wir nicht noch einmal erleben“, sagt Einrichtungsleiterin Edyta Schinke rückblickend. Am 27. November 2020 gab es im Katharinenhof den ersten Corona-Fall. Trotz strenger Hygienemaßnahmen verbreitete sich das Virus rasend schnell unter Pflegekräften und Bewohnern. Senioren starben – an einem der schlimmsten Tage traf es gleich vier von ihnen.

Von Dezember bis Ende Februar waren die Heimbewohner beinahe durchgehend isoliert. Ausflüge waren tabu und Kontakte sowie Freizeitaktivitäten stark eingeschränkt. Die Belastung sei enorm gewesen. Um so größer ist die Dankbarkeit darüber, dass die Geschäftsführung sich auch um psychologische Unterstützung kümmerte.

Und so fällt in den Gesprächen mit den Bewohnern auf, dass der Zusammenhalt untereinander durch den Lockdown fühlbar stärker geworden ist. „Auch wenn es schwer war, wir haben uns trotz allem umsorgt gefühlt“, erzählt etwa Marion Hasselbach, die vor allem die Spaziergänge mit ihrem in der Nähe wohnenden Ehemann vermisste. Auch Doris Kolwitz, Margarete Jacob und Ruth Trottner mussten auf Begegnungen mit ihren Liebsten weitgehend verzichten.

Im Sommer kehrte so etwas wie normaler Alltag ins Leben der Heimbewohner zurück. Gemeinsames Singen, Essen oder Therapien brachten neue Hoffnung. So erfreuen nun auch die beliebte Friseurin und der Therapiehund wieder die Bewohner. „Die Rückkehr zur Normalität, der Kontakt zu den Angehörigen und unsere vielen Freizeitangebote haben unseren Bewohnern wieder viel Lebenslust und Freude gebracht“, so Einrichtungsleiterin Schinke. Dass dies alles wieder möglich war, lag zum einen an der niedrigen Inzidenz, zum anderen an den Impfungen und regelmäßigen Tests. 98 Prozent der Heimbewohner und 80 Prozent der Mitarbeiter sind geimpft.

Neue Impfangebote

Seit Wochen wird vor der vierten Welle gewarnt. Um vorzusorgen, beginnen in einigen Einrichtungen bereits die Drittimpfungen, im Britzer Heim bereits im September. „Darüber hinaus sind Auffrischungsimpfungen und ein Impfangebot für neue Bewohner sowie neu eingestelltes Personal ratsam“, heißt es seitens des Robert-Koch-Institutes (RKI). Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) hat gefordert, die dritte Corona-Impfung sofort in die Coronavirus-Impfverordnung aufzunehmen und damit für rechtliche Klarheit zu sorgen. „Wir dürfen nicht riskieren, dass die vulnerablen Gruppen erneut dieser Gefahr ausgesetzt werden“, so bpa-Präsident Bernd Meurer.

Warnungen vor den psychischen Folgen

Seniorenvertreter fordern, bei all den Maßnahmen nicht die mentale Gesundheit zu vergessen. Ursel Wenzel, Mitglied der Seniorenvertretung Berlin-Mitte warnt vor den „katastrophalen Folgen“ der Isolation für alte Menschen, vor allem in Pflegeheimen. Und auch Psychotherapeutin Christina Jochim von der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung vertritt diese Meinung. Schließlich sei die Psyche ein wichtiger Teil der Gesundheit. Einsamkeit wirke wie Gift darauf. Der Lockdown sei emotional nicht nur für Bewohner und Pfleger, sondern vor allem auch für die Betreuten in Tagesstätten eine Katastrophe gewesen.

Das bestätigt auch Katharinenhof-Leiterin Edyta Schinke: „Mit der Schließung sind sie und ihre pflegenden Angehörigen völlig im Stich gelassen worden.“ Man könne nur hoffen, dass es keine wochenlange Isolation und Schließungen mehr gebe. Zumindest die vier Katharinenhof-Bewohnerinnen sehen es pragmatisch: „Wir nehmen’s, wie’s kommt. Ändern können wir ja doch nichts“, findet Margarete Jacob. Und die anderen nicken zustimmend.

Datum: 26. August 2021, Text: Anna von Stefenelli, Bild: Stefan Bartylla