Die Krise macht es möglich: Vielerorts schafft die Verwaltung auf den Straßen mehr Platz für Radfahrer durch sogenannte Pop-up-Radwege.
Gelbe Folie auf die Straße kleben, rot-weiße Warnbaken aufstellen: Schon ist er fertig, der temporäre Radfahrstreifen, auch Pop-up-Radweg genannt. Während der Corona-Krise wird auf immer mehr Straßen Platz für Radfahrer abgetrennt. Jüngstes Beispiel sind der Kottbusser Damm und die Kottbusser Straße, wo auf fast 2,4 Kilometer Länge mehr als 300 Parkplätze entfielen. „Die letzten Jahre habe ich hier täglich Angst um mein Leben gehabt. Das ist nun vorbei!“, schreibt ein Radfahrer auf Twitter. Bald müssen die Kraftfahrer auch auf einer der am stärksten genutzten Magistralen im Osten Berlins Platz abgeben: der Frankfurter Allee. So wolle man nun auch stadteinwärts zwischen Samariter- und Proskauer Straße einen temporären Radfahrstreifen markieren, sagte Felix Weisbrich, Leiter des Straßen- und Grünflächenamts Friedrichshain-Kreuzberg. Wenig später würde auch stadtauswärts Platz für Radler geschaffen: „Dort machen wir es dauerhaft.“
Versprechen umsetzen
2016 war erstmals angekündigt worden, zwischen Niederbarnim- und Jessnerstraße den Radverkehr vom schmalen Gehweg-Radweg auf die Fahrbahn zu verlagern. Nun wird das Versprechen nach langer Vorbereitungszeit umgesetzt. Statt drei schmalen Fahrstreifen können die Kraftfahrer zwei breitere Fahrspuren nutzen. Mehr Platz steht Autos auch heute nicht zur Verfügung, weil rechts geparkt oder gehalten wird.
Entspanntes Fahren
„Was hier stattfindet, ist eine Verkehrsrevolution“, sagt Andreas Knie. Der Mobilitätsforscher schaut aus seiner Wohnung am Kottbusser Damm auf die neuen Radfahrstreifen, die dort markiert worden sind. Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten: Diese Erkenntnis gelte auch in diesem Fall, meint er: Wo sich kaum Radfahrer entlang wagten, weil parkende Autos den Raum einengten, wird nun rege in die Pedale getreten.
„Das Schönste am Kottbusser Damm ist: Jetzt ist jede Radfahrerin, jeder Radfahrer mit einem entspannten Lächeln auf dem Gesicht unterwegs“, lobt Lisa Feitsch, Sprecherin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs in Berlin. In Friedrichshain-Kreuzberg hat das Bezirksamt auch das Hallesche Ufer und die Petersburger Straße mit temporären Radfahrstreifen versehen. Mit den Busspuren entlang der Hochbahn, auf denen Radler zugelassen sind, entsteht nach und nach eine Ringstraße für Radfahrer. Schon bald werde der Kleine Hundekopf sicherer befahrbar sein – so sieht der Straßenzug, der sich um die Innenstadt legt, auf Stadtplänen aus.
Ganzer Straßenzug
In Friedrichshain-Kreuzberg sollen noch in diesem Monat vier Fahrradstraßen ausgeschildert werden, so Weisbrich. Auf der Alexandrinen-, Palisaden- und Mittenwalder Straße erhalten Radfahrer bald Vorrang. Die vierte Verbindung umfasst einen ganzen Straßenzug: vom Südstern über die Grimmstraße bis zum Engelbecken. Zwar sei der bezirkliche Masterplan Verkehrswende, der diese Fahrradstraßen vorsieht, noch nicht fertig: „Aber wir setzen ihn jetzt schon um.“ Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB würde sich freuen, wenn Senat und Bezirke denselben Elan im Nahverkehr zeigen würden. Der Ausbau des Busspurennetzes komme weiter nicht voran, sagte er.
Datum: 5. Mai 2020, Text: Peter Neumann, Bild: imago images/Klaus Martin Höfer
Der vollständige Beitrag Frankfurter Allee bekommt neue Radfahrstreifen erschien am 26. April 2020 unter www.berliner-zeitung.de.