Flugverbot: Mehr Linienflieger, Regierungsjets und Ambulanzflüge stören die Ruhe.

Kreuzberger Nächte mögen lang sein – doch die Tegeler sind vor allem laut: Der wieder zunehmende Nachtflugbetrieb raubt tausenden Anwohnern den Schlaf. Kein Fenster ist so dicht, dass es das Gedröhn der startenden und landenden Jets abhalten könnte. Kein Mensch ist dafür geschaffen, den unerträglichen Lärm einfach „auszuknipsen“; Körper und Psyche leiden. Doch angesichts des BER-Desasters werden die Anlieger wohl noch viele Monate mit dem Lärm des innerstädtischen Airports leben müssen. Auch nachts – obwohl hier von 23 bis 6 Uhr das Flugverbot gilt.

Drastischer Aufschlag

Dabei hatte die Fluglärmschutzkommission dem TXL noch vor kurzem eine rückläufige Entwicklung der Nachtflüge attestiert. Man sei „auf dem richtigen Weg“ und die „Entgeltverordnung zeigt Wirkung“, teilte sie Mitte Oktober mit. Sie hatte einen drastischen Aufschlag auf die lärmbezogenen Start- und Landegebühren durchgesetzt. Seitdem müssen die Fluggesellschaften von 23 Uhr bis Mitternacht 200 bzw. 300 Prozent berappen; nach Mitternacht werden dann bis zu 500 Prozent fällig. Unklar ist, ob die Zahl von lediglich fünf nächtlichen Flugbewegungen nach 24 Uhr – in der Zeit von Januar bis September 2016 – auch darauf zurückzuführen ist. Zumal in der Stunde davor 568 Starts und Landungen im Linienverkehr erfolgten; deutlich mehr als im selben Zeitraum 2015 mit nur 515.

Doch bekanntlich haben Statistiken so ihre Risiken – und auch diese zeigt nur die halbe Wahrheit der nächtlichen Lärmbelastung auf. Denn sie erwähnt nur die nächtlichen Flüge im gewerblichen Linienverkehr. Gründe für verspätetes Fliegen gibt es viele: Umfliegen von Gewitterfronten; turbulente Windverhältnisse; extremer Schneefall; ausfallende Radarsysteme auf Airports. Neu hinzugekommen sind die Maßnahmen aufgrund erhöhter Terrorgefahr – wie Umleitung von Flügen, wiederholte Gepäckkontrollen. Das alles verzögert Flüge und erfordert jeweils strenge Ausnahmegenehmigungen. Und es erklärt vielleicht, warum etwa ein Großraumjet aus Tel Aviv, der wegen eines Terroranschlags nicht in Brüssel landen konnte, kurz vor Mitternacht über den Kurt-Schumacher-Platz düst. Unerwähnt bleiben in der Statistik allerdings vom Nachtflugverbot befreite Flüge: Allein die nächtlichen Postflieger waren – von Januar bis September – für mehr als 370 Starts und Landungen verantwortlich; verschwiegen werden auch rund 110 Ambulanzflüge, wie auch die 50 Nachtflüge von Regierungsjets, Militär und Polizei. Summa summarum kommt man schnell auf weit über 1.000 Flüge, die in diesem Jahr massiv die Nachtruhe der Tegeler, der Pankower und der Anwohner umliegender Gemeinden störten. Eindeutig 1.000 zu viel – und vorläufig wird`s nicht besser. Tegeler Nächte bleiben laut.

Jürgen Zweigert, Bild: imago/ZUMA Press