Die Ablehnung eines Kindes aus einem anderen Bezirk ist aus Senats-Sicht zulässig.
Als der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg vor einigen Wochen die Vergabe eines Tagesmutter-Platzes an ein Kind aus Neukölln ablehnte, war die Aufregung groß. Eine „Friedrichshain-Kreuzberg first“-Mentalität sah der Neuköllner Bezirksstadtrat Falko Liecke (CDU) in diesem Verhalten. Der Senat hat den Fall inzwischen geprüft und kam zu dem Schluss: Die Ablehnung war zulässig. Aus Lieckes Sicht bedeutet das praktisch die Abschaffung des berlinweiten Kitagutscheins, zumindest für den Bereich der Tagespflege.
Der Fall
Zur Erinnerung: Eine Neuköllner Familie hatte viele Monate nach einem Betreuungsplatz für ihr Kind gesucht und schließlich eine Tagesmutter in Kreuzberg gefunden, welche das Kind zumindest vorläufig aufgenommen hätte. Das Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg hatte dem jedoch nicht zugestimmt.
Bezirksinterne Wartelisten
Laut Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie ist dieses Vorgehen nicht zu beanstanden. Dort sei überprüft worden, ob die Zusatzvereinbarungen des Friedrichshain-Kreuzberger Jugendamtes mit den Tagesmüttern rechtens seien, nach denen vorrangig Kinder aus dem eigenen Bezirk aufgenommen werden sollen – und Kinder aus anderen Bezirken nur dann, wenn es tatsächlich freie Plätze gibt. Dies sei der Fall, so die Senatsverwaltung, denn damit werde die Aufnahme von Kindern aus anderen Bezirken nicht pauschal ausgeschlossen, sondern eine Art Erst-Zugriffsrecht des Pflegestellenbezirks geregelt. Da es außerdem eine bezirksinterne Warteliste für Tagespflegeplätze gebe, seien die Plätze auch nicht als „frei“ anzusehen.
Ein Dammbruch?
Aus Sicht des Neuköllner Bezirksstadtrats Falko Liecke ist diese Einschätzung ein Dammbruch. Der Kitagutschein berechtige zu einer bezirksübergreifenden Platzwahl innerhalb des zur Verfügung stehenden Angebots und sehe sogar ausdrücklich vor, dass das Jugendamt freie Plätze in anderen Bezirken anbieten könne. „Ab jetzt kann sich jeder Bezirk darauf berufen, freie Plätze für den eigenen Bezirk zu reservieren. Das ist eine Katastrophe für tausende Familien. Sie haben es nun noch schwerer, einen Betreuungsplatz, beispielsweise in der Nähe der Arbeitsstelle, zu finden.“ Mit der vom Senat gedeckten Friedrichshain-Kreuzberger Praxis werde der gesetzliche Anspruch für den Bereich der Tagespflege ins Gegenteil verkehrt.
Kita-Gutschein
Die Senatsverwaltung betont, es gehe ausschließlich um die Tagespflege, nicht aber um Kita-Plätze. Bei denen gelte eine landesweite Leistungsvereinbarung mit den Trägern. Hier wäre es nach Einschätzung des Senats nicht zulässig, Kinder aus anderen Bezirken abzuweisen, so eine Sprecherin. Der berlinweite Kita-Gutschein stehe also nicht zur Diskussion und gelte nach wie vor. Auch verweist die Senatsverwaltung darauf, dass der weitaus größte Teil der Kinder Berlins in Kindertagesstätten betreut werde, aktuell knapp 160.000 Kinder. In der Tagespflege seien es berlinweit hingegen nur etwa 5.600.
Text: Oliver Schlappat/Bild: Thinkstock/iStock/FamVeld