Axel Klausmeier von der Stiftung Berliner Mauer

Stiftung Berliner Mauer will East Side Gallery nicht zur zweiten Bernauer Straße werden lassen

An der East Side Gallery herrscht geschäftiges Treiben. In der Mittagssonne sehen sich Touristen die bunten Gemälde an und gehen durch die Lücke am Souvenirkiosk Richtung Ufer. Sie werfen einen Blick hinter die Mauer und drehen nach kurzer Zeit wieder um, weil sie sich dann doch lieber die bunte Galerie auf der anderen Seite anschauen. Axel Klausmeier (gr. Foto), Direktor der Stiftung Berliner Mauer, sieht sich bei einem Rundgang vor Ort die Szenerie an. Bald wird die Gallery nebst mehreren anliegenden Flächen auch ganz offiziell an die Stiftung übertragen. Was dann dort passiert oder nicht, liegt dann in ihren Händen.

Geschichtsträchtiger Ort

Die Besonderheit des Ortes erklärt er mit viel Enthusiasmus und Wissen, mit Händen und Füßen. Da drüben auf dem alten Speicher, zeigt er, könne man heute noch einen Wachturm erkennen. Die Soldaten, zum Teil von einer Abteilung, die mit Stasi-Personal besetzt war, standen in ständigem Funk- und Blickkontakt mit den Posten an weiteren Türmen und dem Gebäude am Zugang zum Todesstreifen, aus dem heute Souvenirs verkauft werden. Jede Bewegung, jede Person wurde von ihnen entdeckt und ins Visier genommen. Menschen seien hier gestorben, und dort, wo heute Berliner und Touristen beim Spaziergang das Wetter und den Spreeblick genießen, bewegten sich früher einzig Wachposten, die den Befehl hatten, im Ernstfall zu schießen – auch auf sich gegenseitig, sollte einer vom Weg ab- und dem Ufer zu nahe kommen.

Die heutige Mühlenstraße auf der Ostseite war außerdem Protokollstrecke. Staatsgäste passierten die Mauer auf dem Weg vom Flughafen Schönefeld zum Palast der Republik. Auch das ist Teil der Geschichte des Ortes. So etwas wüssten die Besucher hier meistens aber nicht. Die Stiftung möchte das ändern. Es soll erfahrbar werden, welche Bedeutung dieser historische Ort hatte.

Neue Infotafeln

Diese und andere geschichtliche Hintergrunde möchte die Stiftung erklären, damit die vielen Besucher der Mauer diese besser verstehen. Regelmäßige Führungen mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten sind in Vorbereitung. Zu den langfristigen Überlegungen gehören auch Infotafeln, Audioguides und andere Vermittlungsmedien. Kontrovers aufgenommen worden ist besonders der Plan, die der Spree weiß zu behalten – so wie sie war, damit die Soldaten potenzielle Flüchtlinge besser sehen konnten. Das sei ein ganz wichtiger Bestandteil des Denkmals, hatte der Stiftungsdirektor schon in der Vergangenheit betont.

Verschiedene Interessenverbände hatten sich daraufhin geäußert, die Ziele der Stiftung seien mit dem Ort, der heute ein Symbol der Freiheit und der Freude über die Wiedervereinigung sei, nicht vereinbar. Axel Klausmeier sieht das nicht so. Das Ziel der Stiftung sei es, die Besonderheit des Ortes darzustellen, zu erhalten und zu erklären. Seine heutige Bedeutung, , die auf der künstlerischen Aneignung der Mauer im Jahr 1990 beruht, gehöre da selbstverständlich hinzu.

Positives Symbol

Sehr wohl erkennt Axel Klausmeier an, warum die rund drei Millionen Menschen, die jedes Jahr hier her kommen, die East Side Gallery aufsuchen. Sie sind da, um sich die längste Mauergalerie der Welt anzusehen. Auch die bunte Seite der Gallery und ihre heutige Bedeutung sollen erhalten und erklärt werden. Dass sie nicht nur ein Ort der Kunst ist, sondern auch ein Symbol der Freiheit und der Aneignung eines ehemaligen Ortes der Angst, der nun die Freiheit feiert. Deshalb solle die East Side Gallery auf keinen Fall zu einem stillen Ort der Erinnerung an die Schrecken der Teilung werden. „Wir wollen hier keine zweite Bernauer Straße haben“, stellt der Direktor der Stiftung klar. Stadtleben und Kunst sollen auch weiterhin stattfinden – lediglich in einer Art, die dem Denkmal an sich nicht die Wirkung nimmt und respektvoll mit dem Ort umgeht, so Axel Klausmeier.

Was geht und wie, dafür gibt der Denkmalpflegeplan für die East Side Gallery, der 2014 vom Landesdenkmalamt verabschiedet und 2018 ergänzt wurde, die Rahmenbedingungen vor. Der Plan lasse durchaus Spielraum für Einzelfallentscheidungen, so Klausmeier, jedoch müsse es dabei immer um die klare Erkennbarkeit des Denkmals gehen. Für die Diskussion von Ideen und Anliegen rund um die East Side Gallery wird es einen runden Tisch mit allen Interessenvertretern geben, welchen die Stiftung einrichten wird. Das war eine der Hauptforderungen der Kritiker. „Wir werden ihre Anliegen aller ernst nehmen“, verspricht Axel Klausmeier. Ohne Kompromisse für alle werde es jedoch nicht gehen. .

Doch bevor das Thema wird, gibt es erst einmal viel Pflichtarbeit zu erledigen. Während des Rundgangs fotografiert der Stiftungs-Direktor überquellende Mülleimer, Schlaglöcher, einen Liefer-Lkw, der dort nicht hingehört. Alles nicht so schlimm, sagt er, doch es müsse nun erst einmal vieles geklärt werden, darüber, welche Verträge der Bezirk bisher zum Beispiel zur Reinigung der Flächen habe, wo es welche Nutzungsgenehmigungen gibt, wo es Stolperfallen gibt. Mit der Übertragung wechselt für solche Dinge ebenfalls die Zuständigkeit zur Stiftung. „Auch wir müssen diesen Ort erst einmal richtig kennenlernen“, sagt er. Oliver Schlappat

Datum: 22. Juni 2018 Text und Bild: Oliver Schlappat