Nadelstiche, bessere Behörden-Vernetzung und Kinder-Entzug.
Es passiert etwas im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Während die Polizei versucht, einschlägigen Großfamilien mit vielen kleinen Nadelstichen zuzusetzen, stellt Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) seinen Sechs-Punkte-Plan vor – und Bezirksstadtrat Falko Liecke (CDU) will den Kriminellen notfalls die Kinder wegnehmen.
Blutig hingerichtet
Seit vor knapp drei Wochen der Intensivtäter Nidal R. am Rande des Tempelhofer Felds mit mehreren Schüssen regelrecht hingerichtet wurde, seine Beerdigung 2.000 Menschen versammelte und ein heldenverehrendes Bildnis von ihm unter Polizeischutz wieder überstrichen wurde, läuft die Diskussion über die Bekämpfung der kriminellen Clans auf Hochtouren. Die Forderungen Martin Hikels zielen in diesem Zusammenhang vor allem auf bessere und schnellere Zusammenarbeit der Behörden in Berlin und darüber hinaus ab. So brauche es zunächst einmal eine bundesweite Definition von Clankriminalität. In den polizeilichen Datenbanken brauche es einen einheitlichen Marker, damit die Polizisten bei Kontrollen wüssten, mit wem sie es zu tun haben
Vorbild Italien
Nach dem Vorbild italienischer Behörden müssten auch Finanzflüsse der Clans in Deutschland international verfolgt werden. Alle als Clankriminalität identifizierten Strafverfahren müssten gebündelt bearbeiten, die Behörden vom Zuständigkeitsprinzip abrücken. In Neukölln werde dies bereits praktiziert. Eine engere Zusammenarbeit der Clan-Hochburgen Bremen, Niedersachsen, NRW und Berlin würde der organisierten Kriminalität ihre Machenschaften erschweren. Generell müsse sich der Informationsaustausch aller Behörden verbessern. Das gelte auch für Themen wie Sozialleistungsbetrug und Daten der Jugendämter. Eine Null-Toleranz-Strategie kann nur Erfolg haben, wenn alle Behörden über vollständige Informationen verfügen und vor allem eng zusammenarbeiten“, so Martin Hikel.
Drastische Forderung
Wie gut der politische Schulterschluss in Neukölln funktioniert, zeigt die CDU des Bezirks, die umgehend einen eigenen Forderungskatalog des Bezirksstadtrats und Vize-Bürgermeisters Falko Liecke nachlegte – mit acht Punkten. In weiten Teilen ähnelt er, von der Wortwahl abgesehen, dem von Hikel. In einigen Punkten geht er weiter, fordert zum Beispiel wöchentliche Kontrollen von Shisha-Bars, Wettbüros, Restaurants und anderer Betriebe aus dem Clan-Umfeld. Eine besonders drastische Forderung: „Kriminelle arabische Großfamilien“ hätten kein Interesse, ihren Erziehungsauftrag wahrzunehmen, daher sollten Jugendämter in die Lage versetzt werden, deren Kinder dauerhaft in Obhut zu nehmen und außerhalb des Einflussbereichs der Clans unterzubringen. Wie Falko Liecke erklärte, müsse es ähnlich wie bei Missbrauch und Vernachlässigung als Kinderschutz definiert werden, wenn mehrfach straffällig werdende Kinder aus kriminellen Familien herausgenommen werden.
Statussymbole entziehen
Derweil setzen Innensenat und Polizei darauf, den Clans das Leben mit vielen kleinen Maßnahmen das Leben schwerzumachen. So sollen Steuererklärungen genauer und häufiger und genauer geprüft und Bars und ähnliche Unternehmungen häufiger kontrolliert werden. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, verstärkt an Statussymbole und Vermögenswerte heranzugehen. Sie können beschlagnahmt werden, bis nachgewiesen ist, dass sie mit „sauberem“ Geld bezahlt worden sind. Im Gespräch ist außerdem ein Aussteigerprogramm nach italienischem Vorbild.
Datum: 2. Oktober 2018. Text: Redaktion. Foto: imago/Olaf Selchow