Reinickendorfs CDU und SPD einigten sich auf Zählgemeinschaft.
Reinickendorf, du hast es besser: Während andere Bezirke ihre Regierenden teils im heftigen Streit wählten, hatte der Fuchsbezirk alles frühzeitig bis ins Detail geregelt. Das Unions-Trio im Rathaus war rechtzeitig aufgestellt: Bürgermeister Frank Balzer trennt sich zwar vom Sportressort, behält jedoch auch in dieser Wahlperiode die Zügel fest in der Hand; neben Finanzen und Personal verwaltet er auch Stadtentwicklung und Umwelt. Katrin-Schultze Berndt wechselte das Ressort und leitet jetzt Bauen, Bildung und Kultur. Ein Überraschungscoup gelang der CDU mit dem parteilosen Justitiar Tobias Dollase, der auch Chef der Sportjugend Berlin ist; er wird sich um Jugend, Familie, Schule und Sport kümmern. Uwe Brockhausen (SPD) bleibt Bezirksrat und stellvertretender Bürgermeister. Über seine bisherige Zuständigkeit für Wirtschaft und Gesundheit hinaus verantwortet er jetzt auch Soziales und Integration.
Keine Märtyrer
Drei gestandene CDU- und ein SPD-Politiker. Stabile Verhältnisse im langjährig „schwarz“ regierten Bezirk. Eigentlich. Doch eine unzufriedene Wählerschaft hat dem Rathaus-Quintett einen rechtspopulistischen Neuzugang beschert: Mit dem IT-Berater Sebastian Maack zieht nun auch die AfD ins Reinickendorfer Rathaus. Er wolle das Amt nehmen, das ihm die BVV zuweise, vorzugsweise in den Politikfeldern Familie und Jugend, verkündete er vor der Wahl. Nach dem Ressortzuschnitt blieben Bürgerdienste und Ordnungsangelegenheiten – sensible Bereiche, in denen Maack nun „so viel wie möglich vom Wahlprogramm der AfD Reinickendorf umsetzen“ will. Dahin gestellt bleibt, wie heftig das rechtslastige Streben seiner Partei im realen Alltag mit den demokratisch gewachsenen Strukturen kollidiert.
Seine Rathaus-Kollegen sehen den Umgang mit den Rechtspopulisten zwar nicht unkompliziert, aber noch gelassen. CDU-Kreischef Frank Steffel plädiert dafür, die AfD nicht zum Märtyrer zu machen, indem man ihr Rechte vorenthält. „Das Wahlergebnis ist zu akzeptieren, der Posten steht ihr zu“, sagt er. Jetzt müsse die AfD ihre Demokratiefähigkeit beweisen – eine Kärrnerarbeit jenseits aller Heilsversprechen. Eine Vorgabe, die offensichtlich zog: Bereits im ersten Wahlgang bestätigten 27 der
55 Bezirksverordneten den AfD-Mann für das Bezirksamt; seine eigene Partei verfügt über acht Sitze.
Dialog geschätzt
Weil die bisherige schwarz-grüne Zählgemeinschaft keine Mehrheit mehr zustande brachte, hatten CDU und SPD im Vorfeld der ersten BVV-Sitzung eine Zählgemeinschaft für die Wahl des Bezirksamts beschlossen und ihre Kandidaten gemeinsam „durchgebracht“. Thorsten Koch, der neue SPD-Fraktionsvorsitzende, ist mit der Kooperation zufrieden: „Gerade in einem Sechs-Fraktionen-Parlament, wie wir es jetzt haben, sind Zusammenarbeit und Dialog der demokratischen Parteien wichtig, um verantwortungsvoll mit unserem Wählerauftrag umzugehen.“
Jürgen Zweigert