Partys-in-Corona-Zeiten
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Wie umgehen mit feiernden Lockdown-Muffeln? Forderungen von Politikern stiften Verwirrung.

Grundrechte werden eingeschränkt. Liebgewonnene Gewohnheiten sind tabu. Keine Frage, das Leben mit Covid-19 und den entsprechenden Einschränkungen mutet uns einiges zu. Als wäre der für viele Zeitgenossen noch immer ungewohnte Alltag mit Kontaktbeschränkungen und anderen Auflagen nicht schon aufreibend genug, machen immer wieder Forderungen von Politikern die Runde, im Umgang mit Corona noch weiter die Daumenschrauben anzuziehen.

Manch ein Vorstoß wird kurz nach Bekanntwerden wieder kassiert oder korrigiert. Dann ist es meistens schon zu spät. Längst läuft bei vielen Menschen das Kopfkino auf vollen Touren. Fast hat man den Eindruck, dass im Zeichen der Pandemie-Bekämpfung und des Lockdowns alles möglich ist.

Söder setzt auf die Polizei

Das gilt nicht nur, aber ganz besonders für Markus Söder. Vergangene Woche wurde berichtet, der bayerische Ministerpräsident habe die Bevölkerung dazu aufgerufen, zu überwachen, ob sich die Nachbarn zu Hause an die verschärften Kontaktbeschränkungen halten. Ist dies nicht der Fall, mögen sie doch bitte die Polizei verständigen. Das klingt nach jenem Denunziantentum, wie man es aus Diktaturen kennt. Die Opposition schäumte.

Söder fühlte sich allerdings missverstanden. „Wenn Bürger sich beschweren, wird man entsprechend darauf reagieren“, sagte er daraufhin laut „Süddeutscher Zeitung“. Das sei wie bei einer Ruhestörung: „Da können die Nachbarn entsprechende Hinweise geben, und dann kommt die Polizei.“ Ein Aufruf zur Denunziation, die nach allgemeinem Verständnis auf niederen Beweggründen beruht, sei dies nicht, betonte der CSU-Vorsitzende.

Lauterbach: “Behörden müssen einschreiten können.”

Söder ist nicht der einzige Politiker, der beim Thema Corona für Verwirrung sorgt. Auch SPD-Politiker Karl Lauterbach ruderte dieser Tage nach markigen Worten über Kontaktbeschränkungen wieder zurück. Die Unverletzbarkeit der Wohnung dürfe kein Argument für ausbleibende Kontrollen sein, sagte der Gesundheitsexperte vergangene Woche der „Rheinischen Post“. „Wenn private Feiern in Wohnungen und Häusern die öffentliche Gesundheit, und damit die Sicherheit gefährden, müssen die Behörden einschreiten können.“

Einschreiten? Soll es Polizisten erlaubt sein, womöglich nach anonymen Hinweisen, private Wohnungen zu stürmen und Corona-Sünder zu belangen? Noch am gleichen Tag twitterte Lauterbach, dass er die gesetzlich verbriefte Unverletzlichkeit der Wohnung achte. Wohl aber müsse man an die „Bürger eindringlich appellieren, jetzt jede private Feier zu vermeiden“.

Wollten Lauterbach und Söder am Ende nur auf etwas hinweisen, was selbstverständlich ist oder sein sollte? Oder ging es ihnen um eine Schlagzeile? Wenn wir mit Besonnenheit durch die Pandemie kommen wollen, waren beide Einlassungen alles andere als förderlich. Gerade in der gegenwärtigen Situation sollte gelten: erst nachdenken, dann sprechen.

Datum: 5. November 2020, Text: Nils Michaelis, Bild: imago images/Westend61