Digitalisierung: Jobcenter Charlottenburg-Wilmersdorf auf „eAkte“ umgestellt.
Tausend Mal berührt…. Zwar ist – anders, als im Klaus Lage-Hit – viele tausende Male was passiert, doch mit welchem Aufwand! Deutschland und seine akribisch-bürokratischen Aktenberge sind legendär. „Im Schnitt wird in den Jobcentern jede Akte monatlich einmal angefasst“, sagt Christoph Möller, Chef der Arbeitsagentur Berlin Nord. „Das kostet Zeit und Nerven, verzögert oft die Bearbeitung.“ Schlecht für die Leistungsempfänger, die auf einen Existenz sichernden und zuverlässig funktionierenden Geldfluss angewiesen sind. „Deshalb müssen wir die Prozesse optimieren – mehr Zeit für unsere Kunden, weniger Bürokratie, mehr Service. Papier war gestern“, so Möller.
Elektronische Verwaltung
Das Ziel ist die „eAkte“ – ein elektronisches Dokument, das jeden Vorgang zu jedem Kunden speichert. Im Jobcenter Charlottenburg-Wilmersdorf ist das seit März Realität. Als erstes Jobcenter Berlins stellt es die Akten seiner rund 25.000 erwerbsfähigen Leistungsempfänger im Bezirk auf digitale Speicherung um. „Unser Aktenberg schmilzt ständig“, sagt Chefin Dr. Dagmar Brendel. „Akten von neuen Kunden werden bereits komplett digitalisiert, die alten nach und nach.“ Noch lagern hier an die 190.000 Akten – 7,5 Kilometer lang, etwa 95 Millionen Blätter, gut 470 Tonnen schwer; ein Gewicht, das mehr als 130 Elefanten entspricht. Die dafür notwendigen Archive im Gebäude am Goslarer Ufer beanspruchen 1.300 Quadratmeter Fläche. Was für eine Vergeudung an Papier und dringend benötigtem Büroraum für die 500 Mitarbeiter! Allerdings verschwinden die Lager so schnell nicht. Zwar kommen keine neuen Akten mehr dazu, doch die alten Akten müssen bis zu zehn Jahre aufbewahrt werden.
Kürzere Bearbeitungszeiten
„Die eAkte hat unseren Arbeitsalltag total verändert“, sagt Sachbearbeiterin Manuela Kirchner. Als eine der ersten wurde sie von Experten der Bundesagentur für das neue System geschult und gehörte dann selbst zum zwölfköpfigen Trainer-Team, das die Beschäftigten ihres Jobcenters in fünf Monaten „eAkten“-fit machte. „Nicht einfach für manchen unserer älteren Kollegen, aber alle zogen sehr gut mit“, so Kirchner. Heute verfügt jeder über zwei Monitore; auf dem einen kann er die Akte einsehen, auf dem anderen aktuelle Vorgänge dazu bearbeiten. Sämtliche Post mit den Leistungsbeziehern wird in einem speziellen Scan-Center digitalisiert und der betreffenden Akte zugeordnet. Aus Datenschutzgründen haben nur jene Sachbearbeiter Zugriff, die den jeweiligen Fall bearbeiten. „Auf Knopfdruck ist nun alles da; die Bearbeitungszeiten sind deutlich kürzer, es gibt weniger Beschwerden“, resümiert Dagmar Brendel. Ein Wermutstropfen: Papier ist weiterhin nötig, weil es von vielen Formularen noch keine Online-Fassungen gibt.
Digitale Revolution
Carsten Engelmann, CDU-Sozialstadtrat und für Charlottenburg-Wilmersdorf Vorstand in der Jobcenter-Trägerversammlung, freut sich über die Vorreiterroller seines Bezirks: „Toll, wie die Arbeitsagentur die „eAkte“ realisiert. Solche digitale Revolution wünschte ich mir in der gesamten Berliner Verwaltung“, sagt er. Der politische Wille sei zwar da, doch die Ämter von der elektronischen Aktenführung noch weit entfernt. „Wir arbeiten noch mit Telefax“, merkt er an. Für die Berliner und Brandenburger Jobcenter jedenfalls ist klar: Ab Juni 2018 sollen alle 22 Berliner Ämter mit der „eAkte“ arbeiten.
Jürgen Zweigert, Bild:Jobcenter Charlottenburg-Wilmersdorf