Immobilienkonzern ignoriert den Berliner Mietspiegel und bringt die Bewohner gegen sich auf.

„Wir sind vom Regen in die Traufe gekommen“, sagt Ingo Naske, Mieter in der Weißenseer Schönstraße. Vor einigen Jahren hatte die GSW ihre Häuser in diesem Quartier an die Deutsche Wohnen AG verkauft. Jahrzehnte war in den Gebäuden wenig passiert, der morbide Charme der 30-er Jahre ist allgegenwärtig. Jetzt will die Deutsche Wohnen das Karree Schön-/Blechenstraße mit seinen 82 Wohneinheiten umfassend modernisieren. Wie viele andere auch, fürchtet Ingo Naske hohe Mietsteigerungen nach der Modernisierung und infolgedessen die allmähliche Verdrängung der Alteingesessenen.„Klar muss mit den Häusern was passieren. Aber zu welchem Preis? Dies ist ein Kiez der kleinen Leute mit kleinen Einkünften“, sagt er sorgenvoll.

Widerspruch eingelegt

Der 57-Jährige wehrt sich und trommelt für eine Mieterinitiative, die der Deutsche Wohnen bei ihren Vorhaben genauer auf die Finger sieht. Und Naske kümmert sich um jene Menschen, die mit dem „ganzen Papierkram“ nicht mehr mithalten können. Beispielsweise um die 87-jährige Irmgard Voss. Die alte Dame wohnt seit 50 Jahren hier. Sie zahlt 360 Euro Warmmiete für ihre 38 Quadratmeter große Eineinhalb-Zimmerwohnung. Nach der Modernisierung sollen es 480 Euro sein. Woher nehmen bei 850 Euro Rente? „Unmöglich, das kann ich nicht zahlen“, sagt sie. Irmgard Voss will sich nicht ins Altersheim abschieben lassen, sondern in ihrem schmucken Zuhause bleiben. Sie hat schon Zentralheizung, ihr Bad ist picobello. „Da muss nichts saniert werden“, stellt sie klar und legte Widerspruch gegen einen Bescheid der Deutschen Wohnen ein. Sie fordert während der Bauarbeiten ein Ausweichquartier und anschließend die Rückkehr in ihre Wohnung bei angemessener Miete. Die unsichere Situation belastet sie sehr, viele Wochen war sie krank. Sie ist ein sozialer Härtefall, der individuelle Lösungen braucht.

Streit mit Senat

Die Deutsche Wohnen verspricht, alle „vorgetragenen finanziellen Härtefälle im späteren Umlageverfahren zu berücksichtigen“, so Marko Rosteck von der Konzernkommunikation. Doch wie das am Ende aussieht, ist unklar. Auch über die Neumieten werde aufgrund unterschiedlichster Ausgangssituationen individuell verhandelt. Die Mieten sind das Problem: Der mit 110.000 Wohnungen größte private Vermieter der Stadt will den Mietspiegel nicht anerkennen, fordert Mieterhöhungen, die seine ortsübliche Obergrenze übersteigen. Darüber streitet er mit dem Senat, der im Mai einen neuen Mietspiegel vorlegen will. Bleibt abzuwarten, ob dieser dann regulierend auf die teils exorbitanten Mietforderungen der Deutsche
Wohnen wirkt.

Autor und Bild: Jürgen Zweigert