38 Menschen bangen wegen der Kündigung des aktuellen Eigentümer.
Seit fast zehn Jahren leitet Cornelia Seemann das Wohnungslosenheim in der Tegeler Ernststraße 29. Hier wohnen 38 Erwachsene, Kinder und Senioren im Souterrain, im Erdgeschoss und in den Räumen auf der ersten Etage. Die Menschen, die in der Pension ihre Bleibe finden, kommen ursprünglich aus Afrika, aus Südeuropa, der ehemaligen Sowjetunion: Aber auch viele Deutsche finden im Wohnheim mit dem schönen Namen „Haus Sonnenschein“ nach oft monatelangen Irrwegen wieder eine feste Bleibe. Einige Bewohner bleiben nur Monate – andere wohnen hier über Jahre. „Das Wohnheim ist wie ein Schiff, ich fühle mich als Kapitän und die Bewohner sind meine Passagiere“, beschreibt Cornelia Seemann ihre Arbeit mit den Menschen, die per Kostenübernahme durch Sozialamt oder Jobcenter ihren Platz im Haus Sonnenschein bezahlt bekommen.
Gefahr droht
Seit einiger Zeit gerät dieses Schiff nun ins Schlingern. Der neue Hausbesitzer, eine Luxemburger Eigentümergesellschaft mit Buchstabenkürzel im Firmennamen setzt seit Beginn des Jahres alles daran, den bis zum Jahr 2024 befristeten Mietvertrag zu kündigen. „Ich gehe davon aus, dass der jetzige Besitzer das Haus weiterverkaufen will“, vermutet Cornelia Seemann. Dafür soll das Heim aus den unteren Etagen des Mietshauses verschwinden – in den übrigen Etagen des fünfstöckigen Altbaus gibt es ganz normale Mietwohnungen. „Immer wieder heißt es in den Schreiben, der Gewerbemietvertrag werde nicht akzeptiert – erst wegen Formfehler und jetzt wegen angeblicher Überbelegung des Heimes“, erläutert die Einrichtungsleiterin, die stets Widerspruch einlegte und so zuletzt eine Kündigung zum 30. September abwenden konnte.
Derzeit läuft ein Verfahren am Landgericht für einen Kündigungstermin am 31. Dezember. Mitarbeiter des Sozialamtes prüften die Belegungszahlen in den Räumen des Heimes Ende Oktober. „Über 64 Personen sind hier polizeilich gemeldet. Alles Menschen, die hier im Laufe der Jahre gewohnt haben. Einige haben versäumt, sich nach dem Auszug polizeilich umzumelden. Darauf haben wir als Einrichtung keinen Einfluss“, erklärt Seemann. „Es trifft zu, dass im Oktober eine korrekte Belegung durch das Bezirksamt ermittelt worden ist“, sagt Sozialstadtrat Uwe Brockhausen (SPD) und betont, dass angesichts der angespannten Wohnungsmarktlage und des hohen Bedarfes an Unterbringungsplätzen diese Einrichtung im Bezirk besonders wichtig ist.
Keine Handhabe
„Wir haben aber keine rechtlichen Möglichkeiten, den Weiterbetrieb des Hauses zu erzwingen. Das Bezirksamt kann im Ergebnis nur an die Beteiligten appellieren, an einer im Interesse aller Beteiligten tragfähigen Lösung im Sinne einer Fortführung zu arbeiten“, sagt er und verspricht, „Wir werden – sollte der Betrieb nicht fortgeführt werden können – selbstverständlich unsere Verantwortung für die von uns untergebrachten Personen wahrnehmen. Hier handelt es sich um zehn Personen.“ Eine rege Diskussion zur vergangenen Bezirksverordnetenversammlung hatte bereits gezeigt, dass der Bezirk ohnehin über zu wenige Unterbringungsmöglichkeiten für Obdachlose verfügt. Angebote für wohnungslose Frauen gibt es im gesamten Bezirk nicht – außer im Haus Sonnenschein.
Text & Bilder: Stefan Bartylla