Bezirk will Bauherren dazu bringen, mehr günstigere Unterkünfte zu errichten.
Preiswerte Wohnungen in Berlin sind rar. Gerade die Zahl der Sozialwohnungen bei privaten Bauprojekten ist noch immer gering. Das will der Bezirk jetzt ändern. Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne) hat dazu ein Modell ausgearbeitet. Es könnte Vorbild für andere Bezirke werden. „An vielen Stellen wird am Bedarf der Neuköllner vorbei gebaut“, sagte Biedermann bei der Vorstellung. „Mit dem Neuköllner Modell setzen wir einen Rahmen für bezahlbare und lebenswerte Kieze.“ Es sieht vor, dass der Bezirk von den Bauherren verlangen kann, auf 30 Prozent der neu zu schaffenden Geschossfläche Sozialwohnungen zu errichten. Zwar gibt es das bisher schon unter dem Namen „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ für die ganze Stadt, doch dieses Modell greift nur in Fällen, in denen mit einem Bebauungsplan Baurecht erst geschaffen wird.
Eng begrenzt
Bei Projekten in Baulücken und in Hinterhöfen, bei denen es ein Baurecht im Grunde schon gibt, läuft es dagegen ins Leere. Hier setzt das Neuköllner Modell an. Es macht sich dabei den Umstand zunutze, dass die Bebaubarkeit von Hinterhöfen und Baulücken zwar oft zulässig ist, aber die mögliche Geschossfläche eng begrenzt wird. In Fällen, in denen der Bauherr nun mehr Geschossfläche errichten möchte, will Neukölln dies auf dem Weg der Befreiung erlauben, diese aber an den Bau von Sozialwohnungen auf 30 Prozent der Geschossfläche koppeln – wobei die Bebauung zugleich nach oben begrenzt ist. Gelten soll das Modell, wenn aufgrund der Befreiungen mehr als 1.000 Quadratmeter neue Geschossfläche entstehen, sagte Biedermann. Dann seien 30 Prozent Sozialwohnungen zu schaffen. Darüber hinaus müssen sich die Bauherren an der Finanzierung von Grundschul- und Kita-Plätzen beteiligen, sofern diese nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen.
Förderung vorhanden
Sozialwohnungen werden zurzeit für 6,50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche vermietet und stehen Menschen offen, die über einen Wohnberechtigungsschein verfügen. Wer eine Sozialwohnung baut, darf dafür eine Förderung in Anspruch nehmen, muss dies aber nicht tun. Biedermann sagte, er schätze das Potenzial in Neukölln auf 2.100 Wohnungen, die nach dem neuen Modell genehmigt werden könnten – 700 Sozialwohnungen ließen sich so schaffen. Das Vorgehen sei rechtlich geprüft worden. Es gebe ein Gutachten, das die Rechtmäßigkeit bestätige.
Kritik am Modell
Das Modell werde jetzt angewendet, so der Stadtrat. Noch gibt es aber kein Projekt, das auf der neuen Grundlage genehmigt wurde. Der Immobilienverband BFW, in dem viele private Unternehmen organisiert sind, beurteilt das Neuköllner Modell kritisch. „Grundsätzlich begrüßen wir sehr, dass sich endlich jemand Gedanken macht, wie Nachverdichtungen eine höhere Akzeptanz bekommen“, sagt Geschäftsführerin Susanne Klabe. „Der Ansatz ist unseres Erachtens aber nicht richtig.“ Die Initiative Neue Wege für Berlin, die sich für mehr Sozialwohnungen einsetzt, sieht in dem Modell einen „Schritt in die richtige Richtung“. Es alleine werde aber das Berliner Wohnungsproblem nicht lösen, so Vorstandsmitglied Peter Kurth, ehemaliger CDU-Finanzsenator. „Dennoch ist das ein richtiger Ansatz und vielleicht entwickeln weitere Bezirke andere innovative Ideen zur Lösung des Wohnungsproblems.“
Dieser Beitrag entstand mit Unterstützung der Berliner Zeitung.
Datum: 13. März 2020, Text: Ulrich Paul, Bild: imago images/photothek