Aktion: Zwei Berliner werben für mehr Verständnis für psychische Erkrankungen.

Für viele Menschen ist die kranke Seele immer noch ein Tabu-Thema, deshalb werben die Teilnehmer der MUT-Tour für einen offenen, ehrlichen Umgang und mehr Verständnis für psychische Erkrankungen. Für diesen Zweck waren auch dieses Jahr wieder Hunderte auf dem Trip quer durch Deutschland dabei. Die Aktion führte sie über 7.300 Kilometer durch 70 Städte. Auch Inge und Julian aus Berlin waren mit einem Tandem sowie Pferd und Esel dabei.

Krankheit im Gepäck

Gemeinsam mit dem Initiator der Tour, Sebastian Burger, und vier weiteren Teilnehmern, legte Inge in zehn Tagen die Strecke von Münster bis Marburg zurück: 60 Kilometer pro Tag auf dicht bepackten Tandems mit einem Gesamtgewicht von bis zu 250 Kilogramm. Inge ist stolz, durchgehalten zu haben: „Es war trotz der Schmerzen schön, stundenlang in gleichmäßigem Rhythmus zu radeln“, sagt sie. Die 60-Jährige ist chronisch depressiv, leidet seit 40 Jahren unter der heimtückischen Krankheit. Eine Krankheit, die auf keinem Röntgenschirm sichtbar ist. Sie ist hinterlistig, versteckt sich oft, zeigt sich kurz und überraschend und raubt den Antrieb fürs Leben. Auf der MUT-Tour sprach Inge viel über ihre Krankheit und das nicht nur mit Betroffenen. „Auch gesunde Menschen haben sich für uns interessiert und ihre Dankbarkeit gezeigt, dass es ihnen gut geht“, sagt die Mariendorferin.

Julian legte die Strecke bis Bremen an der Seite von zwei Pferden und Eseln zurück. „Wir sind auf den Tieren nicht geritten, sondern haben sie geführt, gepflegt, gestreichelt“, erzählt der Spandauer. Vor rund zwei Jahren schlug die psychische Krankheit bei Julian erstmals zu. „Plötzlich war sie da, wie ein Blitz, der ganz langsam von oben nach unten durch meinen Körper zuckt“, sagt der 32-Jährige. Danach war sein Leben als Reiseveanstalter mit eigenem Unternehmen vorbei. Die Diagnose: eine genetisch bedingte bipolare Störung. Jetzt lebt Julian von seiner Berufsunfähigkeitsrente. Auf dem Marktplatz in Bremen, dem Endziel der MUT-Tour, kamen ihm beinahe die Tränen. „Es war toll, dass wir so viel Aufmerksamkeit für unsere Krankheit und so viel Anerkennung erhalten haben“, sagt er. Jetzt will Julian sein zweites Leben beginnen, die Krankheit immer im Gepäck. Er engagiert sich bereits intensiv in Selbsthilfegruppen und für Bipolaris e.V. Doch er weiß auch, dass eine neue Zukunft als Reiseverkehrskaufmann oder gar eine erneute Selbstständigkeit für ihn noch ganz weit weg sind.

Daniel Seeger, Bilder: Sebastian Burger