Straftaten in nördlicher Luisenstadt legen innerhalb von zwei Jahren um rund 43 Prozent zu.

Neulich in der Adalbertstraße: Die Polizei entdeckt am Abend einen Mann mit Schnittverletzungen auf einer Parkbank. Drei Männer hatten versucht, ihm die Geldbörse abzunehmen, so die Polizei. Dann zückte einer von ihnen ein Messer. Das Trio flüchtet, der Mann kommt zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus.

Problemzone Kotti

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Der Kiez liegt unter den gefährlichsten Bezirksregionen weit vorn

Solche Meldungen aus dem Polizeibericht finden selten eine größere Aufmerksamkeit, zeigen aber, wie schnell Menschen in dem beliebten Ausgehkiez zwischen Kottbusser Tor, Görlitzer Bahnhof, Schlesischem Tor und Moritzplatz gerade zu später Stunde in gefährliche Situationen geraten können. Und die Gefahr wächst: Die nördliche Luisenstadt hat im vergangenen Jahr einen erheblichen Zuwachs an Kriminalität erfahren. Das geht aus dem neuen Kriminalitätsatlas der Polizei hervor. Die Zahl der Straftaten insgesamt erhöhte sich demnach zwischen den Jahren 2013 bis 2015 von knapp 24.600 auf rund 35.500 Vorfälle. Das ist eine Zunahme von 43,5 Prozent. Damit belegt die Bezirksregion im Jahr 2015 den sechsten Platz im Ranking der Bezirksregionen. Besonders viele Delikte wurden am Kottbusser Tor sowie an den U-Bahnhöfen Görlitzer Park und Schlesisches Tor registriert. Dazu zählten vor allem Diebstahlsdelikte, Körperverletzung und Rauschgiftdelikte. Im gesamten Bezirk stiegen die ermittelten Straftaten zwischen 2014 und 2015 von 62.194 auf 67.357. Berlinweit wurden 2015 die meisten Verbrechen im Regierungsviertel gezählt (90.000 Fälle). Auf dem zweiten Platz landet die Bezirksregion Kurfürstendamm. Auch das Gebiet rund um den Alexanderplatz liegt weit vorn. Die Menschen im Kiez nehmen die Zahlen der Polizei gelassen auf. „Von einer Zunahme an Gewalt und Diebstählen habe ich hier bislang nichts mitbekommen“, sagt ein Mitarbeiter eines Imbisses in der Oranienstraße. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. „Wir haben hier eher Probleme mit saufenden und grölenden Touristen, die am Wochenende durch die Straßen ziehen.“

Mehr Polizeipräsenz

Landespolitiker suchen nach Lösungen für die besonders von Kriminalität betroffenen Gebiete. Rund um den Görlitzer Park ist die Polizei mit einer Taskforce und teils massiver Polizeipräsenz gegen Drogendealer vorgegangen. Der Senat hat ein Modellprojekt für eine Videoüberwachung mit mobiler Wache am Alexanderplatz auf den Weg gebracht, das aber erst nach der Wahl im September zum Zug kommen soll. „Der Görlitzer Park, das Kottbusser Tor und andere Hotspots wären für das Modellprojekt ebenfalls geeignet“, sagt Frank Zimmermann, der Innenexperte der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. In größeren Gebieten müsse die Polizei mit mehr Fußstreifen für Sicherheit sorgen, so Zimmermann: „Niemand will Überwachungszonen.“

Nils Michaelis, Bild: imago/Seeliger, Nils Michaelis