In der Herzbergstraße haben Nutzungen für Kunst und Kultur inzwischen Tradition

 

Rund 850 Unternehmen haben ihren Standort im Industriegebiet an der Herzbergstraße. Industrie und Gewerbe darf es auf dem 190 Hektar großen Areal zwischen Bornitzstraße und Landsberger Allee geben. Gastronomie, Mietwohnungen und Einzelhandel hingegen verbietet der gesetzliche Nutzungsplan. Über die Jahre hinweg haben es aber zahlreiche Unternehmer geschafft, Gesetzeslücken zu nutzen und Gewerbe zu betreiben, die es hier eigentlich gar nicht geben darf.

Exotisches Angebot

So ist das inzwischen sogar bei Touristen so beliebte Dong Xuan Center auf dem Gelände des ehemaligen VEB Elektrokohle Lichtenberg eigentlich als Großhandelszentrum angelegt. Seit vielen Jahren jedoch haben sich in den riesigen Hallen mit der schrill-bunt-asiatischen Warenwelt auch Einzelhändler und Gastronomen breit gemacht. Hier ist auch an Sonn- und Feiertagen geöffnet. Das alles ist nicht legal – aber längst geduldet.

Kunst in Fabrikgebäuden

In der ehemaligen Margarinefabrik in der Herzbergstraße 55 werden regelmäßig Ausstellungen gezeigt – rund 200 Künstler und Kulturschaffende gibt es hier am einstigen Industriestandort. Kulinarisches Detail am Rande: Die ebenfalls auf dem Gelände untergebrachte „Kantine“ ist mit ihrem Interieur und ihrem Angebot eher der Szenegastronomie, denn der Mitarbeiter-Verpflegung zuzuordnen.

Eine Hausnummer weiter haben sich seit wenigen Monaten Künstler aus dem ehemaligen Kunsthaus Tacheles mit einer Galerie und einem Shop eingerichtet. Weitere einhundert Meter weiter östlich – am Standort der ehemaligen DDR-Fahrbereitschaft – residiert die Kunstsammlung Haubrok mit ihrer Konzeptkunst von Weltruf. Zu Besuchen können sich Kunst-Fans per Internet „privat“ anmelden, aber auch hier möchte man schon bald eine eigene Galerie eröffnen und diese natürlich mit ein wenig Gastronomie begleiten.

Nutzungsplan auf dem Prüfstand

Während des Spaziergangs entlang Herzbergstraße sind immer wieder Wohnhäuser zu entdecken, die früher für Mitarbeiter errichtet aus den Großbetrieben in der Nachbarschaft wurden. „Laut Wählerverzeichnis wohnen in diesem Gebiet ganz offiziell 247 Menschen“, sagt BVV-Vorsteher Rainer Bosse, der den derzeitigen Flächennutzungsplan kritisiert. „Es ist in der Vergangenheit vieles von den Bestimmungen aufgeweicht worden. Wir sollten die geografische Grenzziehung des Areals auf ein Kerngebiet zwischen Josef-Orlopp-, Siegfried- und Vulkanstraße hin aktuell überprüfen“, lautet sein Vorschlag. Auch vor dem Hintergrund, dass derzeit insbesondere die Frage nach dem Gewerbecharakter von Kunst die Diskussion in der Bezirkspolitik bestimmt.

Politische Diskussionen

Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Die Linke) ist Befürworter der neuen Kunstszene am Standort. „Galerien und Ateliers schaffen auch Arbeitsplätze hier im Gebiet. Für mich hat deren Ansiedlung ganz klaren Gewerbecharakter und sollte deshalb auch auch planungsrechtlich abgesichert werden“, so sein Standpunkt. Er möchte hier ein sogenanntes Mischgebiet mit Nutzungsmöglichkeiten für Kulturschaffende einrichten lassen. Eine Ansicht, der Lichtenbergs Wirtschaftsstadträtin, Birgit Monteiro (SPD), widerspricht. „Im Gewerbegebiet arbeiten über 8.000 Menschen. Diese Arbeitsplätze können nur gesichert werden, wenn dieser Standort weiterhin als Gewerbegebiet Bestand hat“, lautet ihre Argumentation, die auch vom Gewerbeverein Herzbergstraße gestützt wird. Nichts fürchtet man hier nämlich mehr, als die weitere Aufweichung des Nutzungsplans, die die Quadratmeter- und Mietpreise um ein Vielfaches verteuern und damit auch Gewerbe hier vertreiben könnte. „Man muss dieses Projekt behutsam angehen und klare Richtlinien zur Nutzung vorgeben“, weiß Bürgermeister Grunst. Er möchte zumindest jegliche Wohnnutzung in der Herzbergstraße von vornherein ausschließen.

Text und Bild: Stefan Bartylla