Berlin-Tegel hautnah – das Berliner Abendblatt nimmt Abschied vom „welttollsten Flughafen“
Am 8. November ist der Flughafen Tegel in den Ruhestand versetzt worden. Diesem Airport haben Julia und Evelyn Csabai ihr Buch „Allerletzter Aufruf Tegel“ gewidmet. Die Autorinnen leiteten viele Jahre lang ein Team von Interviewern, das Umfragen unter Passagieren durchführte. In unserer Serie bringen wir daraus ein paar der skurrilsten Anekdoten.
Spontane Entscheidung
Tobias ist Planespotter. Kennengelernt habe ich ihn vor vielen Jahren auf der Besucherterrasse von Tegel. Der Student stand dort mit seiner Kameraausrüstung und beobachtete eine Boeing 747-436 der British Airways, die wegen einer Bombenwarnung in Tegel notlanden musste. Tobias stand bereits den ganzen Tag auf der Terrasse und wartete auf den Start dieser Maschine.
Von dem Vorfall hatte er bereits am frühen Morgen im Radio gehört und wollte nun unbedingt das Flugzeug sehen und fotografieren. Denn in Tegel war dieser Flugzeugtyp ein Kuriosum. Das Heck war bunt bemalt, und da Tobias ein Fan von Sonderlackierungen war, fühlte er sich an diesem Septembertag für seine spontane Entscheidung belohnt. Die Maschine stand gut sichtbar vor uns.
Verzögerter Start
„Wann startet sie endlich?“, fragte er mehr sich selbst als mich. Wir kamen ins Gespräch. Ich erfuhr, dass es zuerst hieß, der Flieger gehe mittags raus. Dann sagte jemand, der Start werde auf den Nachmittag verschoben. Tobias war mittlerweile genervt, dass er sich den ganzen Tag ans Bein gebunden hatte wegen dieses Flugzeugs, das sichtlich nicht starten wollte.
„Ich sammle eher Fluggesellschaften, also das Zivile“, erzählte er mir. „Ich sammle von jeder Airline jeden Typ einmal plus Sonderbemalung. Also, wenn jetzt irgendwelche Jubiläen anstehen, gibt es meistens einen Jubiläumsflieger, oder dieser Retro-Trend, dass jede Airline eine Flotte im Look von 1960 oder 1970 hat. Das ist so mein Ding.“
Tote Bilder
Er zeigte auf einen anderen Mann, der sich wie er mit einer Kamera in der Hand gelangweilt die Beine in den Bauch stand. „Er zum Beispiel sammelt Business-Jets. Das ist auch nicht so mein Fall. Auch Hubschrauber nicht. Eigentlich stehe ich wirklich nur auf die Sonderlackierungen.“ Tobias war in seinem Element. „Letztes Jahr, da hatte die Deutsche British Airways einige Maschinen mit Blumen bemalt, da war auch eine von Jim Avignon dabei. Die habe ich alle fotografiert.“
Aber worauf wartete er denn jetzt noch? Schließlich hatte er diesen Flieger schon im Kasten. „Ich mag eigentlich Start und Landung, also wenn auf dem Foto wirklich etwas passiert. Ältere Spotter, die stehen auf diesen 90-Grad-Seitenschuss bei Sonne, alle Türen zu, alle Treppen weg. Aber für mich sind das irgendwie tote Bilder. Ich will Action!“, erklärte er noch und ließ mich einfach stehen, als die Maschine sich zum ersten Mal leicht bewegte.