Eine Ausstellung dokumentiert auch wirtschaftliche Traditionen im Bezirk.

Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert entstanden in Lichtenberg Großbetriebe wie Knorr-Bremse, Elektrokohle und der Kraftwerkskomplex Klingenberg. Zehntausende Arbeiter waren in den riesigen und zahlreichen Unternehmen beschäftigt. In Lichtenberg wurden Erfindungen gemacht, Bestseller entwickelt und Kassenschlager produziert. Kühl-Eis der Norddeutschen Eiswerke, Landmaschinen der Marke H.F. Eckert und Automobile der Trend-Marke AGA wurden hier produziert. Nicht viel ist mehr übrig von den ganz großen Unternehmen in der Region – der zweite Weltkrieg, der Mauerfall und die internationale Marktöffnung sorgten für einen grundlegenden Strukturwandel.

Geschäftige Orte

Die Ausstellung „Die Fabrikstadt Lichtenberg“ im Stadtmuseum Lichtenberg liefert jetzt Streifzüge zu diesen zum Teil vergessenen Unternehmen und führt durch die vergangene und bewegte Epoche voller qualmender Schlote, lärmender Werkshallen und geschäftiger Marktplätze. Hier sind Karten über ausgewählte Areale an traditionellen Wirtschaftsstandorten wie an der Rummelsburger Bucht, an der Herzbergstraße oder der Indira-Gandhi-Straße zu sehen, werden historische und aktuelle Aufnahmen präsentiert und die Geschichte ausgewählter Unternehmen und ihre Bedeutung für die Stadt vorgestellt. „Die Aufgabe der Ausstellung ist es, die Traditionen des Wirtschaftsstandortes zu nennen. Dessen wechselvolle und eindrucksvolle Geschichte ist ja vielen Nachbarn hier gar nicht mehr so bekannt“, sagt Franziska Klemstein, die die Ausstellung im Auftrag des Bezirksamtes gemeinsam mit den Historikern des Stadtmuseum zusammengestellt hat.

Vergessene Plätze

Franziska Klemstein stieß bei ihren Recherchen auf einige Überraschungen. Richtig spannend sei die Arbeit immer an den Stellen gewesen, wo sie unbekannte Dinge entdeckt habe, die deutliche Spuren noch heute im Stadtbild des Bezirks haben. Die Fabrikanten-Villa im Fennpfuhl sei dafür ein gutes Beispiel. „In den Teichen im heutigen Park wurde im 19. Jahrhundert in den Wintermonaten Eis geschürft. Warum die Villa heute noch dort steht, zeigt unsere Ausstellung“, verrät die Kunsthistorikerin. Auch die besondere Architekturtradition des Bezirks ist ein Thema der Ausstellung. So entstand in Lichtenberg die erste Beton-Wohnsiedlung der Welt und während der DDR-Zeit wurden im Bezirk auch die ersten Prototypen in Plattenbauweise errichtet. Gerade im 19. Jahrhundert waren die Unternehmen stark an der Stadtentwicklung beteiligt. Eine Tradition, die heute mit anderen Akzenten wieder auflebe. „Im Zuge der Digitalisierung sind es jetzt die kleinen, jungen und kreativen Unternehmen, die bereits ihre Spuren im Stadtbild hinterlassen haben. Vielleicht weniger in architektonischer, als vielmehr in infrastruktureller Hinsicht“, sagt Franziska Klemstein. Elektromobilität, Fahrradfreundlichkeit und Umweltbewusstsein seien dabei einige Stichworte, die die Philosophie dieser jungen Unternehmen widerspiegeln. Auch Unternehmenspräsentationen dieser neuen Ära sind Teil der Ausstellung, die noch bis zum 1. Juli im Stadtmuseum zu sehen sein wird.

Das Museum Lichtenberg, Türrschmidtstr. 24, ist dienstags bis freitags  und sonntags in der Zeit von 11 bis 18 Uhr geöfftnet

Text: Stefan Bartylla, Bild: Stadtmuseum Lichtenberg, Archiv