Nichts geht mehr am Potsdamer Platz, die Spielbank flüchtet zurück in die urbane City West.
Manche nennen den Platz „das kalte Herz Berlins“. In der Tat: So viel traurige Einsamkeit hat Marlene Dietrich nicht verdient! Doch das nach ihr benannte Areal am Rande des Potsdamer Platzes verödet immer mehr. Im letzten Sommer gingen im Musical-Theater die Lichter aus; Udo Lindenbergs „Hinterm Horizont“ entschwand nach Hamburg. Seitdem herrscht tote Hose in dem 1.600-Plätze-Bau, der nur mit der Berlinale im Februar etwas temporären Glanz bekommt. Dem weltweit erfolgreichen Unterhaltungskonzern Stage-Entertainment ist ein leeres Haus rentabler als ein Nachfolgemusical. Niemand will das Risiko für langfristige Stücke tragen. Offensichtlich will Stage es nun als Mehrzweckhalle betreiben. Gerade ist für zwölf Tage „Berlin Nights“ angelaufen – ein furioser Ritt durch Berlins nächtliche Party-Kultur. Weitere Show-Intermezzi sind geplant.
Keine Zukunft
Keine Frage: Die gerade mal 20-jährige futuristische „City in der City“ begeht ihr Jubiläum in schwieriger Zeit. Abends, wenn die Touristenbusse fort sind und die Kinos schließen, wird es einsam am Marlene Dietrich Platz. Neben dem Partykeller „Adagio“ ist das Casino die letzte Attraktion am Ort. „Wir sind die umsatzstärkste Spielbank Deutschlands“, sagt Geschäftsführer Günter Münstermann. Dennoch sieht die Spielbank keine Zukunft an diesem Standort. „Der Mietvertrag läuft noch bis 2022, doch spätestens 2021 sind wir hier weg“, so Münstermann. „Wir kamen 1998 aus der City West und kehren wieder an den Kudamm zurück.“ Sie wollten damals nicht raus aus dem Europa-Center. Aber der Senat drohte mit Entzug der Konzession, wenn sie nicht an den Marlene-Dietrich-Platz gingen. Ursprünglich sollte der Renzo-Piano-Palast ein Automobilmuseum beherbergen, doch daraus wurde nichts. Richtig warm wurde die Spielbank hier aber nie. „Wir agieren auf vier Ebenen, denkbar schlecht für den Spielbetrieb“, sagt der Chef.
Eigenes Gebäude
Mit dem sicheren Rückenwind einer im Januar neu erteilten Spielkonzession bis 2032 lohne sich der Umzug. „Im größeren Domizil im neuen Kudamm-Karree wird auf nur zwei Ebenen gespielt, die Infrastruktur ist deutlich besser“, sagt Münstermann. Bis 2020/21 baut der Münchener Immobilieninvestor Cells Bauwelt den riesigen Komplex total um. Die Spielbank erhält ein eigenes Gebäude im Innenhof des Karrees. Dann ist auf 11.000 Quadratmetern Platz für hunderte Automaten, Pokertische und Roulette – am Potsdamer Platz sind es nur 8.600. Münstermann freut sich auf mehr Las Vegas-Atmosphäre und boomende Geschäft.
Jürgen Zweigert, Bilder: JThinkstock/iStock/SHmelevskih, Jürgen Zweigert