Zilles Stammkneipe „Wilhelm Hoeck 1892“ hat einen neuen Wirt.

Auch das war sein „Milljöh“: Heinrich Zille war Stammgast im „Wilhelm Hoeck 1892“. Die urige Destille an der Wilmersdorfer Straße war zwar nicht sein Wohnzimmer, er wohnte gleich um die Ecke, aber hier fand er bei einer frisch gezapften Molle seine Typen mit Herz und Schnauze. Hier sah er „die Männer verduften, wenn die Frauen verblühen“. Realer Stoff für seine herrlich gezeichneten Milieustudien. Heute hätte „Pinselheinrich“ gewiss seine Freude daran, zu sehen, wie erfolgreich seine Stammkneipe die Wirren der Zeit überstand und sich immer noch als fast original erhaltene Ur-Berliner Lokalität präsentiert.

Jubilar feiert

Das „Hoeck“ wird 125. Ein Jubiläum, das nach Wirtswechsel, kurzer Hängepartie und Abschluss der Renovierungsarbeiten in diesem Jahr zünftig gefeiert wird. Der neue Betreiber, Marko Tobjinski, will zwar am alten Interieur „alles so lassen, wie es ist“, hat aber dennoch viel vor mit der ältesten Kneipe Charlottenburgs. Der historische Schankraum mit seinen rustikalen Tischen, vertäfelten Wänden, Schnapsfässern, den Flaschenbatterien und der Handkurbel-Kasse bleibt unverändert. Das daneben liegende Restaurant bekommt seine Alt-Berliner
Atmosphäre zurück.

Faszinierende Geschichte

Der gebürtige Wilmersdorfer will eine Gastlichkeit für „Körper, Bauch und Seele“. „Dieser Dreiklang hat hier eine lange Tradition“, sagt Tobjinski. „Alles im ‚Hoeck‘ ist über die Jahrzehnte gewachsen, so etwas kann man nicht bauen. Jede Ecke, jeder Winkel strahlt eine faszinierende Geschichte aus.“ Es ist dieses Ambiente mit seinen Stammgästen und den verrückten Geschichten, das ihn anzog. Schon als Kind habe ihn sein Stiefvater in den verräucherten Gastraum mitgeschleppt, dass er als Wirt zurückkehren würde, hätte er sich nicht träumen lassen. „Das ,Hoeck‘ ist wie eine persönliche Schatztruhe von Berlin, die du nach vielen Jahren öffnest und all die kleinen Zettel rausholst, die dir fast vergessene Erinnerungen zurückbringen“, schwärmt der neue Besitzer.

Mit Argusaugen

Marko Tobjinski weiß, dass viele mit Argusaugen darauf gucken, was er und sein Team aus dieser Berliner Institution machen. Vor allem wollen sie ab 18. März ein Stück Kneipenkultur wieder beleben. Diese sei in den vergangenen Jahren in Berlin ziemlich eingeschlafen. Wo Dart-Automaten oder Billardtisch fehlten, wurde es ruhiger; das alte Stammpublikum verschwand mit den Jahren und junge Leute gingen lieber in Bars und hippe Retro-Kneipen. Tobjinski will sie wieder herlocken – mit Kultur, Musik und Kunst. Doch vor allem auch mit gutbürgerlicher Küche aus regionaler Produktion.

Text & Bild: Jürgen Zweigert