Besetzer wehren sich gegen die Verschrottung des Hausbootes im Rummelsburger See.
Der Trubel um das Jugendfreizeitschiff „Freibeuter“ nimmt kein Ende. Der rund achtzig Meter lange und zehn Meter breite Kahn liegt seit rund zwölf Jahren am Paul-und-Paula-Ufer im Rummelsburger See. Einen großen hellen Saal, ein Sonnendeck am Heck, eine große Küche, zig Kabinen mit Übernachtungsmöglichkeiten, eine Werkstatt, gute und solide ausgebaute Sanitäreinrichtungen und ganz viel Platz für Material und Aktivitäten, bietet das Hausboot auf drei Decks.
Einst wurde das Schiff als Hausboot für Jugendfreizeiten ausgebaut. Vor etwa zwei Jahren kaufte eine Gruppe von fünf Leuten das Schiff dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ab. Das Schiff sollte für Klassenfahrten, Tanz-, Koch und Yogakurse sowie für Workshops vermietet werden. Im Kaufvertrag mit der Genossenschaft Spreewohnen e.G. hatte der Bezirk auch festgelegt, dass dafür auch ein neuer Anlegeplatz gesucht werden müsse.
Gerichtlich geklärt
Inzwischen hat die Genossenschaft nicht viele dieser Auflagen eingehalten: Nur ein Bruchteil der 225.000 Euro wurde für den Kauf beglichen und das Schiff liegt noch immer am selben Ort auf der Grenze zwischen Lichtenberg und Friedrichshain-Kreuzberg. Nach einem gerichtlichen Verglich geht das Schiff wieder in das Eigentum des Bezirks zurück. Beide Parteien verzichten dabei auf ihre jeweiligen Zahlungsforderungen.
Am 14. Oktober war die Besichtigung des Schiffs durch den Bezirk geplant. Doch dazu kam es nicht. Etwa 50 Aktivisten der auf dem Schiff ansässigen Initiativen versperrten den Zugang am Steg und erklärten das Schiff für „besetzt“. Punkt 13 Uhr hatte der Bezirksamtsmitarbeiter nur das Nachsehen, als er den „Freibeuter“ betreten und in Augenschein nehmen wollte. „Bis zum heutigen Morgen hatten wir nicht den Eindruck, dass es zu Komplikationen kommen könnte“, erläuterte der Sachbearbeiter vor Ort. Stunden zuvor erreichte ihn jedoch eine E-Mail, die ihn über einen Mieter auf dem Schiff informierte.
Mit Mietvertrag gegen die Räumung
Harry, 57-jähriger Kunsthandwerker, hatte Anfang März einen Mietvertrag mit der Spreewohnen e. G. abgeschlossen und zahlt monatlich 450 Euro Miete für einen Werkstatt- und einen Wohnraum auf dem Schiff. „Ich will hier bleiben und bestehe auf meinen Mietvertrag“, stellte dieser fest und verweigerte den Bezirksamtsmitarbeitern am abgeschlossenen Gittertor den Zutritt aufs Boot. Inzwischen hat Harry noch Verstärkung von den anderen Initiativen auf dem Schiff bekommen.
Vor der Verschrottung
„Nach offiziellen Angaben soll der Freibeuter verschrottet werden, da kein neuer Liegeplatz gefunden werden kann und angeblich kein tragfähiges Konzept vorliegt“, teilt dazu die auf dem Schiff ansässige Kulturkombüse per Mail mit. Man wolle nun mit regelmäßigem Kulturprogramm und einer Volksküche das Schiff neu bespielen. Theatergruppen, Kunstkollektive und Stadtinitiativen sollen dafür den Raum für gemeinsame Projekte nutzen.
Nutzung für Obdachlose
Aber auch andere Initiative melden Nutzungsvorschläge an: „Für unsere Kältenothilfe wäre der Freibeute ideal“, erklärte der an der Besetzung beteiligte Aktivist Dominic Grasshoff. Rund 15 Kabinen stünden unter Deck zur Verfügung und angesichts der aktuellen Wohnraumknappheit könne sich sein Verein diese Räume für die Unterbringung obdachloser Jugendlicher gut vorstellen. „Klar wäre so eine Nutzung auch an einem anderen Anlegeplatz und in Kooperation mit den anderen Gruppen vorstellbar“, sagte Grasshoff.
UPDATE: Am 17. Okrober besuchte der verantwortliche Baustadtrat Florian Schmidt (B90/Die Grünen) die Besatzung auf dem Freibeuter. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir hier bleiben können. Die Verhandlungen in der Bezirksverordnetenversammlung werden aber zeigen, wie wir eine Kooperation mit dem Bezirk fortführen können. Der Bezirk erwartet jetzt von uns ein tragfähiges Konzept zum Betrieb des Schiffes“, erläuterte ein Aktivistensprecher das Gespräch mit dem Stadtrat. Der Stadtrat selbst war für ein Statement in dieserAngelegenhiet bislang nicht zu erreichen.
Datum 15. Oktober 2018, Text und Bild: Stefan Bartylla