Mahlsdorf-Süd: Wochenendhaus entpuppt sich als Salon-Waggon aus Kaisers Zeiten
Über Ebay-Kleinanzeigen war das junge Paar Oliver M. und Lisa S. im vergangenen Jahr auf das Grundstück im Mahlsdorfer Süden gestoßen. 1.000 Quadratmeter groß ist dort die Fläche, die für den Bau von zwei kleinen Stadthäusern plus den beiden Gärten ausreichen soll – aus Kostengründen hatten sich Lisa und Oliver für den Grundstückskauf mit einem anderen Käufer zusammen getan.
“Das Gelände hier inmitten der Familienhaussiedlung war total überwuchert mit Bäumen und Pflanzen. Und es gab dieses barrackenartige, seltsam gestaltete Haus mitten auf dem Grundstück”, erklärt der junge Bauherr, der mit Freundin Lisa bald aus Hohenschönhausen hierher ziehen möchte.
Ein erster Besichtigungstermin mit einem der Grundstückserben offenbarte dann die Überraschung. Der Kern des Hauses auf der Grundstücksmitte entpuppte sich nämlich als ein echter Eisenbahn-Waggon aus längst vergangenen Tagen. “Eine Küche und ein Wohnzimmer mit Fenstern, Strom- und Wasserversorgung gab es hier drin. Kein Zweifel: Hier hat jemand jahrzehntelang in einem Waggon gewohnt”, erläutert Olver M.
Wie der hierher kam, kann niemand mehr genau sagen. Die Erben des Grundstücks sind weit über Deutschland verteilt und haben zu dem letzten Besitzer und Bewohner keinen Kontakt mehr gehabt. “Die Verhandlungen über den Kauf und den Vertragsabschluss waren ja schon aus diesem Grunde nicht einfach gewesen.
18 verschiedene Parteien waren in den Verkauf involviert”, erinnert sich Oliver M., der mit dem Abbruchunternehmer die komplette Entsorgung auch des Waggons vereinbart hat. “Die Arbeiter haben ganz behutsam alle Anbauten entfernt, um ihn von hier aus komplett abtranspotieren zu können. Die wollen ihn dann als Schuppen selber nutzen”, sagt Oliver M., der sich nun auch ein wenig über die eigenwillige Geschichte des Grundstücks und den wahrscheinlich über 100 Jahre alten Waggon informieren konnte.
Demnach sollen Wanderarbeiter den ausrangierten Salon-Wagen in den 30er Jahren hierher geschafft haben, um dort eine Bleibe am Stadtrand beziehen zu können. Kurz nach Kriegsende übernahm dann eine Familie aus der Lausitz das Mahlsdorfer Grundstück und richtete sich darauf ein Wochenendhäuschen ein. Der Waggon blieb stehen und wurde mit Anbauten und Unterkellerung ergänzt. Kurz nach der Wende verstarb der Besitzer und letzte Bewohner und das Grundstück verwilderte.
Diese Mahlsdorfer Attraktion wird jetzt nur noch wenige Tage in der Siedlung zu sehen sein. Anfang März soll das Gelände endgültig geräumt werden.
UPDATE:
Inzwischen hat Oliver M. auch den Verein der Berliner Eisenbahnfreunde e.V. zu seinem Schatz angefragt. Die äußerten sich begeistert von dem antiken Waggon: „Was für ein tolles “Fundstück” mit toller Patina!!! Auf den ersten Blick ist es ein Wagenkasten eines ehemaligen dreiachsigen preußischen Abteilwagens, evtl. sogar eine Hälfte eines Pärchens wie es früher kurz gekuppelt auf der Berliner S-Bahn und im Vorortverkehr gefahren ist“, merken die Eisenbahnfreunde an und schätzen das Alter des Waggons auf über 100 Jahre.
„Der Wagen entspricht der Gattung B3 (B= 2. Klasse, 3 Achsen). Er hatte eine Westinghouse Schnellbremse (Wsbr) was ihn schon mal als Stadtbahn oder Vorort – Wagen kennzeichnen könnte. Die ehemalige Wagennummer lautet 1853 was darauf schließen lässt das er im Umzeichnungsplan der DRG von 1930 schon nicht mehr enthalten war, also schon vor 1930 ausgemustert wurde“, erklären die Fahchleute. Nur die 16,30 Meter Länge über Puffer seien verwirrend. Er dürfe laut historischem Musterblatt eigentlich nur 13,38 Meter lang sein.
Datum: 28. Februar 2019, Text und Bild: Stefan Bartylla, Bild 2: Eisenbanfreund e. V.